Sonderabfallverbrennungsanlagen am Limit (Foto: Canetti, iStock) (Foto: Canetti (iStock))
Die Sonderabfallverbrennungsanlagen in Deutschland laufen am Limit
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Entsorgungsbranche Beseitigung und Verwertung gefährlicher Abfälle unter knappen Kapazitäten

Für viele Branchen in Industrie und Gewerbe führt das steigende Wirtschaftswachstum in Deutschland seit 2010 zu Aufschwung und Konjunktur. Neben erhöhtem Abfallaufkommen stehen gesellschaftliche und politische Forderungen nach Umweltschutz und nachhaltiger Verwertung aller Abfallarten im Raum. Bei diesem Thema steckt nicht nur die gesamte Industrie und der Handel in einem Dilemma, sondern vor allem die deutschen Entsorgungsunternehmen, die nach neuen Konzepten für ihre Kunden suchen.

  • Das stetige Wirtschaftswachstum bringt ein erhöhtes Aufkommen von Siedlungsabfällen, aber auch von Gewerbeabfällen mit sich. Ein Großteil der gewerblichen Abfälle landet trotz Neufassung der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) 2017 oftmals immer noch in der thermischen Beseitigung, was die Gesamtkapazitäten der Verbrennungsanlagen übersteigt.
  • Einen Kapazitätsengpass konstatieren Branchenexperten und Anlagenbetreiber für die Beseitigung gefährlicher Abfälle und fordern in diesem Zusammenhang den Neubau oder die Erweiterung bestehender Sonderabfallverbrennungsanlagen. Die aktuell rund 30 Sonderabfallverbrennungsanlagen in Deutschland verfügen über eine Gesamtverbrennungskapazität von rund 1,34 Millionen Tonnen. 2017 vermeldete das Statistische Bundesamt 1,35 Millionen Tonnen Input. Heißt: Die Anlagen laufen bereits am Limit.
  • Lösungsansätze für erweiterte Verbrennungskapazitäten gestalten sich aufgrund vieler Hemmnisfaktoren schwierig. Eine große Verantwortung bei der Entsorgung gefährlicher Abfälle liegt in erster Linie beim Erzeuger. Vor allem eine Erhöhung der Recyclingquote wäre zielführend, um dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und der GewAbfV auch wirklich nachzukommen.

Wirtschaftswachstum in Deutschland

Das Bundesministerium prognostiziert der deutschen Wirtschaft weiterhin eine steigende Tendenz in den nächsten Jahren. Für das Bruttoinlandsprodukt wird für 2019 mit einem Wachstum von 0,5 Prozent gerechnet, für 2020 soll es voraussichtlich sogar 1 Prozent betragen. Gerade die Maschinen- und Automobilbranche sowie Energie-, Chemie- und Bauunternehmen werden sich weiter stark entwickeln. Proportional zum Wirtschaftswachstum kommt es allerdings auch zu einem erhöhtem Aufkommen von Gewerbe- aber auch Siedlungsabfällen. Rund 412 Millionen Tonnen Abfall müssen die deutschen Entsorger mittlerweile jedes Jahr insgesamt im Auftrag der Kunden handhaben.

Abfallaufkommen in Industrie und Gewerbe

Die Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) beschreibt, dass Gewerbebetriebe selbstständig Abfälle wie Papier, Holz, Glas, Textilien und Metalle bereits an der Anfallstelle trennen, um eine hohe Quote beim Recycling zu erzielen. Denn je mehr Sortierung und Verwertung stattfindet, je geringer sind die Abfallmengen, die in die Müllverbrennungsanlagen zur thermischen Abfallbehandlung transportiert werden. Nach den Bauabfällen waren vor allem Abfälle aus Produktion und Gewerbe im Jahr 2017 mit rund 55,8 Mio. Tonnen Abfällen die bedeutendste Abfallgruppe. Auch das verschärfte Chemikalienrecht, das insbesondere bei kritischen Inhaltsstoffen im Rahmen des Kunststoffrecyclings greift oder die neue Düngemittelverordnung, wird zu weiteren Sonderabfällen führen. Rund 6 Prozent des gesamten Abfallaufkommens in Deutschland entfielen auf gefährliche Abfälle, hauptsächlich aus Industrie und Baugewerbe. Die derzeitige Recyclingquote von 7 soll auf mindestens 30 Prozent ansteigen.

Ausgereizte Verbrennungskapazitäten für gefährliche Abfälle

Rund 17 Millionen Tonnen gefährlicher Abfall können bereits heute in Deutschland energetisch verwertet oder stofflich recycelt werden. Rund ein Drittel der insgesamt 25,4 Millionen Tonnen gefährlicher Abfälle (2017) müssen aber als gefährlicher, nicht verwertbarer Abfall über Beseitigungsverfahren entsorgt werden: Ablagerung, thermische Beseitigung oder Behandlung zur Beseitigung. Die Kapazitäten der derzeit rund 30 Sonderabfallverbrennungsanlagen liegen bei insgesamt etwa 1,34 Millionen Tonnen – und sind komplett ausgeschöpft. 2017 wurden in diesen Anlagen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bereits 1,35 Millionen Tonnen gefährliche Abfälle vernichtet – und damit offensichtlich sogar mehr Abfälle als die Anlagen eigentlich hergeben. Der prognostizierte Wirtschaftswachstum wird diesen bestehenden Engpass weiter verschärfen, darin sind sich Branchenexperten einig. Einen nicht unwesentlichen Faktor stellen auch die wachsenden Abfallimporte aus dem europäischen Ausland dar; beispielsweise aus Ländern wie den Niederlanden, denen ausreichende Beseitigungskapazitäten fehlen.

Aufgrund strenger Kontroll- und Dokumentationspflichten sind Entsorgungsunternehmen und deren Kunden vor große Herausforderungen gestellt. Die Folge sind Preiserhöhungen, um der gesetzeskonformen, umweltgerechten und sicheren Vernichtung gefährlicher Abfälle auch weiterhin gerecht zu werden. Einige Bundesländer sehen sich mit knapper werdenden Verbrennungskapazitäten für gefährliche Abfälle bereits jetzt stark konfrontiert. In Nordrhein-Westfalen etwa, dem Bundesland mit dem höchsten Aufkommen gefährlicher Abfälle, gelten für die thermische Behandlung derzeit Anmeldefristen von sechs bis acht Wochen. Zudem steigen dort bereits die Kosten für die Abfallbehandlung. Eine Infografik mit Deutschlands Sonderabfallverbrennungsanlagen, inklusive Anlagenkapazitäten, ist im PDF „Kapazitäten in Sonderabfallverbrennungsanlagen“ zu finden.

Maßnahmen dringend erforderlich

In einer Studie vom Umweltbundesamt 2017 zeigen Untersuchungsergebnisse, dass bei unterschiedlichen Abfallarten technische und ökologisch sinnvolle Möglichkeiten bestehen, ein hochwertiges Recycling von gefährlichen Abfällen zu steigern. Die Untersuchung weist aber darauf hin, dass eine Reihe von Hemmnissen dem entgegensteht. Um hinsichtlich der gefährlichen Abfälle eine Entsorgungssicherheit zu garantieren, sind umfassende Maßnahmen von Entsorgerverbänden und Politik notwendig. Denkbar sind der Ausbau bestehender Entsorgungsanlagen sowie Anlagenneubauten. Allerdings sind sowohl die langwierigen Genehmigungsverfahren für den Neubau sowie die immensen Kosten für die Privatwirtschaft kaum zu stemmen. Bereits in Planung sind jedoch neue Müllverbrennungsanlagen bzw. EBS-Kraftwerke im Bereich nicht gefährlicher Abfälle derzeit in Hamburg, Schleswig-Holstein, dem Rhein-Main-Gebiet sowie in der Lausitz und der Region Halle. Sollten alle geplanten Projekte umgesetzt werden, könnte die Gesamtverbrennungskapazität von nicht gefährlichen Abfällen um 1,3 Mio. Tonnen steigen. Das würde auch zur Entspannung hinsichtlich der thermischen Verwertung gefährlicher Abfälle beitragen. In der Verantwortung zur Verbesserung der Situation sind außerdem die Erzeuger von Gewerbeabfällen. Durch die sorgfältigere Trennung der Abfälle gemäß Gewerbeabfallverordnung würden geringere Abfallmengen in Verbrennungsanlagen landen. Unterstützend dazu sind seitens der Politik stärkere Kontrollen angeraten, die die Umsetzung der Verordnung sicherstellen.

Quellen

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