Festmacher-Leine, die ein Boot an einer Anlegestelle befestigt (Foto: Kamila Kozioł (iStock))
Die Modernisierung von Schiffsflotten lässt Schiffsfriedhöfe wachsen – ein großes Potenzial für die Kreislaufwirtschaft
Foto: Kamila Kozioł (iStock)

Branche Schiffsrecycling in Norddeutschland und was es zur Marktfähigkeit braucht

Das Recycling von Altschiffen bietet in Deutschland ein enormes Potenzial für die Kreislaufwirtschaft. Innovative Verfahren und technologischer Fortschritt könnten eine Vorreiterrolle ermöglichen, doch bürokratische Hürden und langwierige Genehmigungsprozesse erschweren die Entwicklung. Ein Blick auf aktuelle Verfahren, Visionen und Chancen einer recyclingorientierten Schiffsentsorgung.

Bis dato existieren in Deutschland keine spezialisierten Schiffsabwrackplätze – dabei stellt das Recycling von Altschiffen einen nicht zu unterschätzenden Nachhaltigkeitseffekt und zukunftsfähigen kreislaufwirtschaftlichen Marktfaktor dar (Stichwort: Produktion von grünem Stahl). Der Wirtschaft ist das bewusst. In einem Interview mit der Deutschen Presse Agentur sprach jüngst der Rostocker IHK-Präsident Klaus-Jürgen Strupp von einer „enormen Chance“, die das Schiffsrecycling speziell für Norddeutschland und die norddeutschen Werften darstelle. Allein aufgrund der hier gegebenen maritimen Infrastruktur sei man für eine Vorreiterrolle beim Schiffsrecycling prädestiniert. Dass man diese Vorreiterrolle bisher noch nicht eingenommen habe, liege, so Strupp, an den im internationalen Vergleich hohen Markteintrittspreisen für Schiffsrecyclingwerften in Deutschland.

Hinzu kommt noch ein weiterer Faktor: Ein immenser bürokratischer Aufwand samt entsprechender Wartefristen für interessierte Unternehmen. So teilte im März 2024 die Emder Werft und Dock GmbH (EWD) mit, dass sie mit dem neu gegründeten Unternehmenszweig EWD Benil Recycling GmbH & Co in den Rückbau von Schiffen einsteigen wolle. Seitdem wartet das Unternehmen auf die Genehmigung seitens der zuständigen Behörden.

Eine Erfahrung, die auch die Leviathan GmbH teilt. Das Bremer Unternehmen hatte im September 2023 bekanntgegeben, auf der Stralsunder Volkswerft eine erste Anlage für emissionsarmes Schiffsrecycling errichten zu wollen. Doch noch im Juni diesen Jahres musste Leviathan-Mitbegründer Simeon Hiertz konstatieren: „Das Genehmigungsverfahren verzögert sich weiter.“ Wann mit dem Betrieb gestartet werden könne, sei noch nicht absehbar.

Das ist umso gravierender, als dass die Leviathan GmbH eine auch technologische Vorreiterrolle einnehmen könnte: Ein Verfahren zur Schiffszerlegung fast ohne CO2-Emmission hat das Unternehmen schon erfolgreich getestet. In Stralsund könnten somit ausschließlich von regenerativer Energie betriebene Roboter und Wasserstrahlschneider zum Einsatz kommen. Ein Novum, auf das weitere Anpassungen im Bereich der Automatisierung folgen sollen.

Zunächst auf das Recycling kleinerer Schiffe ausgerichtet, will das Unternehmen seine Kapazitäten schrittweise auch auf Schiffe mit einer Länge von bis zu 350 Metern ausdehnen. Zudem würden die Arbeiten in einem streng geschlossenen Betriebssystem stattfinden, was das Risiko von Umweltverschmutzungen stark minimiert. Koppelt man all diese Innovationen noch mit einer strukturiert professionellen Entsorgung der auftretenden Abfallströme, offeriert sich Schiffsrecycling als geschlossener, ergo nachhaltiger und mithin wirtschaftlich rentabler Ressourcenkreislauf. Zudem bekommt die professionell enge Verzahnung von Schiffsrecycling und Abfallentsorgung auch eine unmittelbare Schutzfunktion für Menschen und Umwelt, gehören zu den anfallenden Abfallströmen doch oftmals auch umweltgefährdende Fraktionen wie Bilgenwasser oder Ölschlamm (Sludge-Rückstände). Spezialisierte Entsorger können hier auf ihre Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit Werften oder Häfen zurückgreifen. Erfahrungen, zu denen allerdings auch hier oft starre, langsam laufende bürokratische Regularien gehören (siehe auch: Umweltschutz in der Seeschifffahrt: Jürgen Brandes über die Entsorgung von Bilgenwasser, Sludge und Scrubber-Abfällen).

Auf EU-Ebene ist das Abwracken alter Schiffe klar geregelt und darf nur unter entsprechend zertifizierten Bedingungen durchgeführt werden. Zudem sollen ab Mitte nächsten Jahres auch weltweit verbindliche und einheitliche Standards für den Umwelt- und Arbeitsschutz in Kraft treten. Das und der Umstand, dass mit dem Umbau der Schiffsflotten in Richtung Modernität und Klimafreundlichkeit folgerichtig ein Anwachsen der Schiffsfriedhöfe (sprich: der Wertstofflager fürs Recycling) einhergehen wird, verweist auf ein immenses kreislaufwirtschaftliches Potenzial. Will man auch in Deutschland daraus Kapital schlagen, müssen dafür vor allem zeitnah bürokratische Hürden gesenkt und Regularien beschleunigt werden. Das hat auch die Politik begriffen. So postulierte die niedersächsische SPD-Landtagsabgeordnete Karin Logemann: „Der Markt ist da, wir müssen reagieren. Wir haben das Know-how (…) und das wollen wir nutzen. Wir wollen einen wettbewerbsfähigen Recycling-Sektor aufbauen.“

Quellen

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