Sehr geehrter Herr Eisenmann, wie zufrieden waren Sie mit der IFAT Munich 2024?
Total zufrieden. Die Eröffnung mit der Bundesumweltministerin und dem bayerischen Umweltminister war großartig. Es gab viele tolle Diskussionen auf den verschiedenen Stages. Überhaupt war der Besucherandrang riesig. Rund 142.000 Besucher aus nahezu 170 Ländern und Regionen kamen zur Weltleitmesse nach München. Mit 300.000 Quadratmetern Fläche war die IFAT Munich 2024 zudem die größte aller Zeiten.
2022 musste man sich nach dem pandemiebedingten langen Ausfall der Messe erst einmal wiederfinden. Wie war die aktuelle Stimmung unter den Ausstellern? Wie geht es der Recyclingbranche?
Grundsätzlich war die Stimmung gut. Wir dürfen nicht vergessen: 2022 waren wir die erste Weltleitmesse, die wieder unter mehr oder weniger normalen Bedingungen stattgefunden hat. Da hatten wir immer noch Drei-Meter-Gänge, auch Masken waren nach wie vor ein großes Thema. Trotzdem hatten wir einen total tollen Spirit. Alle waren erleichtert und froh, wieder auf Messen zu sein. Diesen Spirit, diese Energie haben wir auch dieses Jahr wieder gespürt. Das sehen wir auf der einen Seite daran, dass die Ausstellerzahl auf mehr als 3.200 gewachsen ist und die Internationalität zugenommen hat. All das sind für uns Zeichen, dass es den Firmen wichtig ist, hierher zu kommen und ihre Technologien zu zeigen.
Zugleich ist eine Messe immer auch ein Spiegelbild der Branche und wie es ihr geht. Es gibt verschiedene Themen – von Energie über Bürokratie bis hin zur Auftragslage –, die die Recyclingwirtschaft beschäftigen. Dennoch sind alle sehr positiv und zuversichtlich, weil die Lösungen vorhanden sind. Die Herausforderungen sind da und werden wohl auch immer da sein, doch die Stimmung ist gut, und ich habe das Gefühl, dass die Branche sehr resistent gegenüber den Krisen ist, die es gibt.
Bei der IFAT Munich 2024 konnten Aussteller erstmals ein Green Pioneer werden. Wie funktioniert das?
Wir wollten diejenigen Aussteller honorieren und in den Vordergrund stellen, die sich nachhaltig Gedanken bei ihrem Messestand machen. Wir haben 17 tolle Messestände mit unserem Partner herausgesucht, die sich in verschiedenen Kategorien wie Modularität, Mobilität, Catering etc. bei uns beworben haben und mit ihren kreativen, effizienten und sehr stringenten Maßnahmen Nachhaltigkeit bewiesen haben. So wird man ein Green Pioneer. Natürlich hoffen wir, dass hier ein gewisser Nachahmungseffekt für die Zukunft einsetzt.
Ein Beispiel für die grünen Pioniere sind etwa Aussteller mit einem Containersystem, das immer wieder von Messe zu Messe mit unterschiedlichen Anordnungen neu verwendet werden kann. Ein anderes Beispiel ist ein Messestand, der seine Möbel quasi aus dem Sperrmüll geholt hat, aufbereitet hat, hier in München lässt und dann hier wieder weitergibt für den guten Zweck und sich damit quasi auch die Transportkosten spart.
Philipp Eisenmann
- Philipp Eisenmann ist Exhibition Director der IFAT Munich.
- Er begann 2010 seinen Werdegang bei der Messe München und betreut die IFAT seit über 10 Jahren in unterschiedlichsten Funktionen. Seit 2019 verantwortet er die Veranstaltung federführend als Projektleiter.
- Philipp Eisenmann hat einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund. Er absolvierte eine kaufmännische Ausbildung, ehe er ein wirtschaftswissenschaftliches Studium mit dem Schwerpunkt Event- und Messemanagement an der Technischen Universität Chemnitz abschloss. Dabei lag der Fokus u. a. auf der Konzeption von ökologisch nachhaltigen Messen.
Ein Schwerpunkt der IFAT Munich waren die Kommunen. Was konnten kommunale Entscheider auf der Messe für sich mitnehmen?
Kommunen sind ein ganz, ganz wichtiger Besucherschwerpunkt. Der kommunale Besucher konnte viele verschiedene Schwerpunkte über die ganze Woche erleben. Ein Highlight war der Tag der klimaresilienten Kommunen. Mit verschiedenen Verbänden und Partnern haben wir einen Messetag unter diesem Titel so zusammengestellt, dass wir von morgens bis abends den kommunale Entscheider mit Lösungstouren, Vorträgen, Sessions, kleineren Veranstaltungen und kuratierten Inhalten an die Hand genommen haben, um zu zeigen, wie die Klimaanpassung auch auf der kommunalen Ebene funktionieren kann – von großen Städten bis zu kleinen Gemeinden. Wir sehen an den Überschwemmungen in Süddeutschland gerade wie wichtig dieses Thema ist.
Wir haben auf der Messe den Trend beobachtet, dass ökologische Aspekte wieder verstärkt mit der Ökonomie verknüpft werden. Ökologie soll sich lohnen und finanziell tragbar sein. Können Sie diesen Eindruck bestätigen?
Auf unserem Spitzengespräch der Kreislaufwirtschaft wurde genau dieser Aspekt von allen Panelisten unterstrichen. Auch deshalb hatten wir Dr. Franziska Brantner als Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Bundeswirtschaftsministerium nach München eingeladen. Es besteht natürlich – und da sind wir auch sehr dankbar – seit vielen Jahren eine gute Partnerschaft mit dem Umweltministerium. Jetzt kommt folgerichtig auch die wirtschaftliche Komponente hinzu.
Diesen Dreiklang der Nachhaltigkeit vom Sozialen über die Ökologie zum Ökonomischen zusammenzubringen ist das große Thema der IFAT Munich. Dazu gehört auch, den Kreis der Kreislaufwirtschaft zu Ende zu denken. Deshalb schaffen wir ganz viele Formate auf den Bühnen, mit Programmen, mit Veranstaltungen, um alle Stakeholder – auch aus den „fachfremden“ Industrien – zusammenzubringen und Kreislaufwirtschaft wirklich voranzutreiben.
Ein Blick ins Ausland: Pressemeldungen zufolge war Saudi-Arabien ein großer Punkt auf der diesjährigen IFAT. Was haben Sie davon mitbekommen?
Ja, wir haben viel Interesse aus der ganzen arabischen Welt im Allgemeinen und Saudi-Arabien im Speziellen registriert. Das Land will die Transformation vorantreiben, nicht nur im Energiebereich, sondern auch bei verschiedenen anderen Themen wie der Kreislaufwirtschaft und Abfallentsorgung. Wasser ist natürlich auch ein großes Thema in der Region. Wir freuen uns, dass wir immer mehr Delegationen sehen, große Partner, die hier herkommen. Das zeigt auch, dass deutsche und europäische Technologie immer noch gefragt ist und dass großes Interesse besteht, dieses Know-how eben auch in Regionen wie Saudi-Arabien zu bringen. Ich glaube, das ist ein spannender Markt.
Die IFAT gibt es in verschiedenen Ländern. Findet ein Austausch zwischen den verschiedenen Standorten statt?
Absolut. Die IFAT gibt es an zwölf Standorten weltweit, von Brasilien – was jetzt unser neuestes Projekt ist – bis hin nach Singapur und China. Die Teams arbeiten sehr eng zusammen, weil auch die Synergien sehr gut sind. Wir sehen, dass wir, wenn wir mit einer IFAT in den Markt reingehen, einerseits die Technologien von Deutschland, von Europa in diesen Markt reinbringen, gleichzeitig aber auch wieder neue Besucher und Interessenten für München zurückbekommen. Mit diesem Netzwerk nehmen wir weltweit eine Spitzenrolle ein – und da sind wir auch sehr stolz darauf.
Bundesumweltministerin Lemke hatte bei der Eröffnung angesprochen, dass Batterierecycling ein großes Thema sein wird. Was konnte man auf der IFAT Munich dazu erfahren?
Sehr, sehr viel. Wir haben beispielsweise eine Spotlight-Area zu diesem Thema ins Leben gerufen. Außerdem gibt es im Freigelände eine Live-Demo, wo gezeigt wird, wie man Batterien möglichst risikoarm wieder aus den Fahrzeugen rausbekommen kann. Wir haben sehr spannende Start-ups, die auch mit Robotik zeigen, wie in sicheren Umgebungen Batterien wieder entfernt und demontiert werden können – Stichwort Brandlast. Da gibt es spannende Themen, und ich würde eine Wette abschließen, dass Batterierecycling in den nächsten Jahren nochmal eine größere Rolle spielen wird.
Wo geht die Reise beim Thema Digitalisierung hin?
Nun, die Diskussion um den digitalen Produktpass gibt es seit vielen Jahren schon. Ich glaube, die nimmt jetzt noch mehr an Fahrt auf – auch in Richtung Europa. Das ist ein großes Gesprächsthema, aber natürlich auch Künstliche Intelligenz. Da sind wir auch noch einmal deutlich weiter als vor zwei Jahren. Wie können Daten noch besser aufbereitet werden? Wie kann Sensorik noch besser laufen? Mittlerweile sieht man schon viele Maschinen, die nun auch in dieses Themenfeld mit eingeschlossen werden.