Sehr geehrter Herr Probst, beantworten Sie uns doch zunächst die grundsätzliche Frage: Welche Lösungsmittel gibt es und welche werden bei Ihnen aufbereitet?
Die Hauptgruppen an Lösemitteln, mit denen wir uns in der Aufbereitung beschäftigen, sind Alkohole (Ethanol, Isopropylalkohol, Methanol, n-Butanol, i-Butanol etc.), aromatische Kohlenwasserstoffe (Toluol, Xylol etc.), aliphatische Kohlenwasserstoffe (Cyclolhexan, Heptan etc.), Ether (MTBE, ETBE, THF) und Ester sowie Ketone (Aceton, MEK, MIBK, Ethylacetat, Butylacetat etc.).
Holger Probst
- Ausbildung zum Industriekaufmann
- Studium zum Betriebswirt (VWA)
- seit 2005: Vertriebsmitarbeiter bei RESOLVE, ein Geschäftsbereich der REMONDIS Medison GmbH
- ab 2008: Vertriebsleiter bei RESOLVE und ab 2010 Niederlassungsleiter
- seit 2021: Bereichsleitung RESOLVE und STAUFEN-CHEMIE
In welchen Bereichen kommen diese Lösemittel zum Einsatz? Oder anders gefragt: In welchen Produkten sind sie enthalten?
Wenn Sie nach den Branchen fragen, dann sind dies Unternehmen aus der Farb-, Druck- und Beschichtungsindustrie, aber auch aus der Verpackungs-, Automobil- und der chemischen Industrie, die mit den bereits genannten Lösemitteln arbeiten. Einige Hersteller im Bereich Pharma- und Lebensmittel nutzen auch Lösemittel. Nicht zuletzt für Produzenten von Klebstoffen sind diese essentiell.
Lösemittel werden größtenteils zur Oberflächenbehandlung verwendet, zum Beispiel beim Einsatz von Farben, Lacken, Reinigern, Verdünnern oder innerhalb von Spülprozessen. Zudem werden diese Substanzen auch als Extraktionsmittel verwendet.
Wie gestaltet sich der Vewertungsprozess von Lösemitteln? Warum ist eine korrekte Entsorgung so wichtig?
Die korrekte Entsorgung bzw. Verwertung von Lösemitteln ist deshalb wichtig, da jedes Lösemittel bestimmte charakteristische Gefahren mit sich bringt und zu den gefährlichen Abfällen gehört. Meist handelt es sich um leichtentzündliche Lösemittel wie Aceton und möglicherweise für Wasserorganismen giftige Stoffe wie bestimmte Benzine oder auch reaktive Stoffe. Der direkte Kontakt für Mensch und Umwelt muss daher möglichst vermieden werden.
Die korrekte Entsorgung von Lösemitteln fängt bereits beim getrennten Sammeln und Lagern an. Weiterhin ist zu prüfen, ob eine stoffliche Verwertung möglich und sinnvoll ist. Damit können Ressourcen geschont werden. Die CO2-Bilanz ist beim Einsatz von Destillaten – im Vergleich zu Frischware – wesentlich geringer.
Die Vorgehensweise bei der Verwertung ist im Allgemeinen diese: Im ersten Schritt wird uns ein Durchschnittsmuster zur Prüfung übergeben. Wir untersuchen das Muster in unserem Labor auf die für uns relevanten Parameter. Das sind im Wesentlichen die Lösemittelzusammensetzung, das Wasser, der pH-Wert, Dichte, Flammpunkt und Abdampfrückstand. Anschließend führen wir eine Labordestillation durch und untersuchen dabei den Destillationsverlauf, die Siedebereiche, die Ausbeute, den Geruch im Destillat sowie andere Parameter. Daraus schließen wir, ob eine stoffliche Verwertung sinnvoll und möglich ist.
Anschließend wird ein Angebot zur Übernahme des verbrauchten Lösemittels an den Erzeuger abgegeben. Meist handelt es sich um ein Angebot für einen Praxisversuch, mit dem wir die Laborergebnisse großtechnisch nachstellen wollen. Destilliert wird dann anschließend von einem Altwarentank in einen Destillattank. Das hergestellte Destillat bzw. Regenerat wird in der Folge an den Abfallerzeuger zum Wiedereinsatz zurück geliefert oder extern vermarktet.
Welche verschiedenen Verfahren zur Lösemittelrückgewinnung gibt es und welche nutzen Sie?
Für die Rückgewinnung von Lösemitteln kommt einerseits oft die Destillation in Frage. Dadurch kann ein vorhandener Feststoff (bspw. Farben- oder Lackbestandteile) abgetrennt werden. Andererseits ist es möglich, Lösemittel mittels Rektifikation voneinander zu trennen oder den Wasseranteil in einem Lösemittel zu reduzieren. Es gibt noch weitere Verfahren, die jedoch nicht so häufig zum Einsatz kommen. Wir sprechen bei RESOLVE von einer Blasendestillation für die „fest-flüssig-Trennung“ oder einer Rektifikation über Kolonnen („flüssig-flüssig-Trennung“).
Wer nutzt die gewonnenen Destillate?
Die gewonnenen Destillate setzt meist die Farb- und Lackindustrie ein. Auch die Automobilindustrie nutzt die Destillate, meist für Reinigungs- und Spülzwecke.
Darüber hinaus füllen wir noch Gebinde ab und vertreiben diese z. B. an Fachmärkte, Baumärkte oder zukünftig direkt an Endkunden über unseren Online-Shop. Dies erfolgt sowohl unter dem Kundenlabel (Händler) als auch über unsere eigenen Marken STAUFEN, RECOLOR und ILLUMIN.
Was macht das Lösemittelrecycling nachhaltig?
Der Einsatz von Destillaten schont unsere Ressourcen und spart C02 ein. Lange Rohstoff-Transportwege werden vermieden, der Energieeinsatz ist im Vergleich zur Produktion von Primärware gering. Ohne die stoffliche Verwertung im Allgemeinen sind unsere Klimaziele kaum zu erreichen.
Wann ist das Verbrennen von lösemittelhaltigen Abfällen eine Option?
Die Verbrennung von Lösemitteln kann eine Option sein, wenn die Qualität der Lösemittel eine destillative Aufarbeitung unmöglich oder unwirtschaftlich machen. Bei der Verbrennung von Lösemittel unterscheiden wir zwei Bereiche, die thermische Verwertung und die Beseitigung.
Lösemittel können zur Energierückgewinnung genutzt werden, wenn diese verbrannt (thermische Verwertung) werden. Wie erwähnt, bietet sich dieses Verfahren an, wenn die stoffliche Verwertung nicht möglich ist. Mit der thermischen Verwertung werden fossile Brennstoffe ersetzt, was letztendlich auch Ressourcen schont.
Die „Beseitigung“ oder Abfallentsorgung von Lösemitteln ist hingegen unter allen Umständen zu vermeiden. Hier geht es lediglich darum, sich des Abfalls zu entledigen. Hierbei ist die Abfallhierarchie zu beachten.
Wie hoch ist die Qualität von Regeneraten und wie oft können sie wiederverwendet werden?
Die Qualität des Regenerates bzw. Destillates ist immer von der Qualität des Abfalls abhängig. Daher ist die sortenreine Trennung beim Sammeln der Abfälle von großer Bedeutung. Zudem muss man sich die Frage stellen, für welchen Einsatzzweck das Destillat benötigt wird. Zum Reinigen von Oberflächen ist es beispielsweise oftmals gar nicht notwendig, Frischwarenqualitäten einzusetzen. Mit einer entsprechenden Anlagentechnik ist es aber durchaus möglich, frischwarenähnliche Qualitäten herzustellen.
Wie oft ein Lösemittel im Kreislauf gefahren werden kann, hängt auch hier von der Abfallqualität, vom Einsatzzweck und von der Anlagentechnik ab. Theoretisch lässt sich das Lösemittel unbegrenzt im Kreislauf fahren, wobei aufgrund des Recyclings die Ausbeuteverluste wieder durch andere Regenerate oder Frischwaren ersetzt werden.
Wir bieten auch ein bundesweites Rücknahmesystem von verunreinigten Lösemitteln für Kunden mit geringen Mengen an, um ihnen die Möglichkeit zu bieten, die Getrenntsammlung und somit die Abfallqualität zu verbessern und weiterhin eine nachhaltige Verwertung durchführen zu können.
Die Gefahrstoffverordnung fordert, gefährliche Stoffe durch weniger gefährliche zu ersetzen. Welche umweltfreundlichen Alternativen zum Einsatz von Lösemitteln gibt es? Ist denkbar, in Zukunft komplett darauf zu verzichten?
In bestimmten Bereichen gibt es seit Jahren Alternativen zu Lösemitteln. So können in einigen Bereichen schon heute wässrige Reiniger die Lösemittel ersetzen. Nachteilig ist oftmals, dass die wässrigen Reiniger nicht wiedergewonnen werden können oder die Wirkung nicht an die von Lösemitteln herankommt.
Was oftmals verkannt wird, ist, dass die sogenannten Hydrospüler oder VOC-armen Reiniger auch einen gewissen Lösemittelanteil haben. Die Wiederaufbereitung dieser Ersatzprodukte (wenn möglich) hat einen bis zu achtfachen Energiebedarf aufgrund des relativ hohen Wasseranteils. Da somit in der Regel kein Recycling stattfindet, muss dieser Reiniger nach Gebrauch verbrannt werden, was natürlich mit einem sehr hohen Wasseranteil energetisch unsinnig ist.
Aber es gibt auch viele Bereiche, in denen es grundsätzlich undenkbar ist, auf Lösemittel zu verzichten, beispielsweise in bestimmten Prozessen der Chemie- und Pharmaindustrie.
Weiterhin forschen einige Unternehmen bereits an nachhaltigen (nicht fossilen) Lösemitteln. Es sieht jedoch bisher so aus, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis wir diese im Einsatz sehen.
Vielen Dank für das Gespräch!