Jürgen Brandes, Geschäftsführer der Hamburger Schiffsentsorger GmbH (Foto: Sonderabfallwissen)
Jürgen Brandes, Geschäftsführer der Hamburger Schiffsentsorger GmbH
Foto: Sonderabfallwissen

Umweltschutz in der Seeschifffahrt Jürgen Brandes über die Entsorgung von Bilgenwasser, Sludge und Scrubber-Abfällen

Weil der Hamburger Hafen als zweitgrößter europäischer Container- und Deutschlands größter Seehafen eine wichtige Vorbildrolle in der Sonderabfallentsorgung von Schiffen einnimmt, freut sich unsere Redaktion über folgendes Interview mit einem Experten direkt von der Küste: Jürgen Brandes, Geschäftsführer der Hamburger Schiffsentsorger.

Herr Brandes: Um gefährlichen Abfall in Meeren, Flüssen und Seen zu vermeiden, muss vor allem verhindert werden, dass Schiffsmüll und Ladungsrückstände ins Wasser entsorgt werden. Was gibt es hier für spezifische Gesetze und Verordnungen?

Nun, rechtliche Abkommen, die sich für Umweltschäden durch Schiffsabfall einsetzen, sind das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) und das Internationale Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL). Die Anhänge der MARPOL-Übereinkommen widmen sich der Verschmutzung durch Öl, schädliche Flüssigkeiten und schädliche Feststoffe sowie dem Umgang mit Abwässern von Schiffen. Die Einleitung von Schiffsmüll in das Meer ist grundsätzlich allen Schiffen verboten. Deshalb wird den Häfen eine besondere Aufgabe zuteil, nämlich die Entsorgung von Schiffs-Abfällen angemessen zu gewährleisten. Wie auch an Land verfolgt die Sonderabfallentsorgung vor allem immer zwei Ziele: Eine Schadstoffentfrachtung und wenn möglich, eine Abtrennung der Wertstoffe wie Metalle, Kunststoffe oder Glas und Rückführung in den Kreislauf.

Jürgen Brandes

  • kaufmännische Ausbildung
  • 1990 kaufmännischer Angestellter bei der Richard Buchen Umweltservice GmbH
  • 1996 Vertriebsmitarbeiter bei der Ascalia Kreislaufwirtschaft GmbH
  • seit 2005 Geschäftsführer der Hamburger Schiffsentsorger GmbH

Am Hamburger Hafen legen sowohl Kreuzfahrt- als auch Containerschiffe an, um nicht nur aufzutanken oder Fracht umzuschlagen, sondern auch um bei Ihnen Abfälle zu entsorgen. Von welchen Abfällen und Mengen reden wir?

Alle Schiffe geben generell feste und flüssige Abfälle zur Entsorgung ab. Im Feststoffbereich ist die Bandbreite natürlich gerade bei Kreuzfahrtschiffen immens: Hier beginnt das Ganze bei Küchenabfällen, Plastik, Hausmüll bis Leuchtstoffröhren, aber auch ausgedienten Matratzen, Stühle, Tische, etc. Der Abfallbeauftragte muss wissen, zu welcher Abfallstufe was gehört, da der Abfall getrennt an den Entsorger übergeben wird. Bei der internationalen Schifffahrt läuft vor allem die Verwertung ein wenig anders als an Land: Wenn die Schiffe aus allen Herren Ländern kommen, dürfen Küchenabfälle – aufgrund des Seuchenschutzes – nicht über unsere Biogasanlagen etc. entsorgt werden, sondern müssen generell in die Verbrennung. Andere feste Abfälle wie Kunststoffflaschen können theoretisch in die Sortierung. Sicherheit steht aber hier in jedem Fall vor dem Recycling-Aspekt. Neben dem MARPOL-Abkommen wird vor allem von der Hamburger Behörde reglementiert, dass gewisse Schiffsgrößen auch nur gewisse Mengen Abfall abgeben dürfen. Da gibt es eine Tabelle, die darlegt, wieviel sie Müll im Hafen an den Entsorger übergeben dürfen. Bei großen Schiffen sind das bis zu 6 Kubikmeter Hausmüll, bei flüssigen Abfällen sind das ein bis 30 Kubikmeter Brennstoffrückstände-Rückstände, die grundsätzlich free of charge hier in Hamburg entsorgt werden dürfen. Alle Mehrmengen dürfen die Kapitäne auch abgeben, aber das müssen sie mit dem jeweiligen Entsorger separat abwickeln, auf eigene Kosten. Bei flüssigen Abfällen unterscheiden wir übrigens in Bilgenwasser, Sludge-Rückstände und neuerdings unter der EU-Richtlinie der Luftreinhaltung eben auch Scrubber-Abfälle. Das ist ein Stoff, der neu hinzugekommen ist, den es in der Vergangenheit sonst nicht gab. Große Seeschiffe auf Fahrt verfügen über eine Antriebsleistung von rund 40.000 kW (Kilowatt) und brauchen täglich 100 Tonnen Brennstoff und gemeint ist damit Schweröl.

Können Sie uns bitte erklären, was „Scrubber“ ist?

Ein Scrubber ist ein verfahrenstechnischer Apparat, der an Bord eines Schiffes eingebaut ist und den Schwefel über eine Abgasreinigung aus der Abluft filtert, so dass der Schwefel nicht nach draußen gepustet wird. Sondern dieser gefilterte Schwefel wird im Schiffsrumpf in Tanks aufgefangen, separat gelagert und mit eigener Abfallschlüsselnummer entsorgt – selbstverständlich nicht in Verbindung mit anderen Abfällen. Hier wird ganz klar auf die Reinhaltung der Abfälle geachtet.

In welchem Turnus ist die Schiffsentsorgung notwendig?

Wenn Schiffe über Rotterdam oder manchmal auch Bremerhaven nach Hamburg kommen, dann dürfen sie zum Beispiel auch in Bremerhaven Abfälle abgeben. Jeder Hafen hat seine eigenen Regularien, aber die Entsorgung wird generell zu attraktiven Gebühren angeboten, damit will man natürlich vor allem die Gewässer sauber halten. Früher war es oft der Fall, dass man gesagt hat, fahr mal eben über See und lass den Sack Müll über Bord fallen. Gut, dass diese Zeiten vorbei sind. Wenn ein Schiff entleert aus dem Hafen fährt und nach zwei Tagen wieder kommt, kann es erneut gegen Abgabe der Entsorgungsgebühr auch wieder die Entsorgungsangebote in Hamburg in Anspruch nehmen.

Sie haben gesagt, die Schiffsentsorgung läuft oft sehr spontan. Wann erfahren Sie denn, wenn ein Schiff bei Ihnen Abfälle abgeben möchte?

Die Anmeldung sollte 24 Stunden vor Einlauf in Hamburg vorliegen. Bei vielen Kunden ist das auch der Fall. Aber es gibt eben auch spontane Kapitäne. Dann kommen die Schiffe rein, der Makler geht an Bord, schätzt die Abfallmengen und -arten ein und übernimmt die Verhandlung und das Management. Damit haben wir als Schiffsentsorger noch nichts zu tun, der Makler kennt die Regularien hier und die Abfallschlüssel wie seine Westentasche. Danach werden wir vom Makler kontaktiert und können planen und uns auf die jeweilige Entsorgung vorbereiten. Unsere Hauptarbeitszeiten sind von 6 bis 16 Uhr und in der Regel ist das an einem Tag alles zu schaffen. Das ein Kapitän erst zwei Stunden vorm Eintreffen anruft, ist schon extrem, aber das kommt auch vor.

Wer hat den Müll eigentlich an Bord im Griff? Gibt es einen Abfallbeauftragen bei größeren Schiffen? Oder muss das der Kapitän übernehmen?

Ja, meistens ist das der Kapitän und der führt auch Abfallbücher. Da steht drin, in welchem Hafen er liegt, wieviel Müll produziert und mit welchem Abfallschlüssel dieser entsorgt wurde. Was die Menge betrifft, kann man das mit einem Auto vergleichen: Da haben Sie auch Tankfüllungen und Sie wissen in der Regel, wieviel Kraftstoff Sie verbrauchen. Das ist bei den Seeschiffen nicht anders. Die Kapitäne wissen, auf welchen Fahrtrouten die Maschine wieviel Kraftstoff verbraucht und wieviel Abfallschlamm pro Stunde produziert wird. Dann geht hier in Hamburg auch zum Teil die Port State Control (die Hafenstaatkontrolle) an Bord und schaut in den Abfallbüchern nach dem Rechten. Die Prüfer beraten auch zu den Kapazitäten für Sludge-Rückstände oder ob der Kapitän es mit dem jeweiligen Füllstand zum nächsten Hafen schafft. Und dann gibt es eine Anordnung von der Behörde, das in Hamburg zum Beispiel noch 30 oder 40 Kubikmeter Sludge abgeben werden müssen.

Und auf Kreuzfahrtschiffen – gibt es da einen Abfallbeauftragten?

Ja, die meisten Kreuzfahrtschiffe haben einen Umwelt- und Abfalloffizier. Das ist bei dieser Vielzahl von Personen wichtig. Die Offiziere wissen ganz genau, welche Route wird gefahren an welchen Häfen kommen sie vorbei, die angesteuert werden, wieviel Müll pro Person fällt an und wo kann ich wieviel Müll free of charge abgeben. Auf so großen Schiffen gibt es natürlich auch Kühlräume an Bord, wo zum Beispiel Essensrückstände getrennt von anderem Abfall gelagert werden. Die Reisen gehen ja oft auch in sehr warme Regionen und die Essensrückstände in großen Bigbags müssen gekühlt gelagert werden. Die Abfalloffiziere schauen auch auf die Kosten und wissen ganz genau, welche die Konditionen bestehen in Hamburg, Rotterdam oder Southampton. Moderne Kreuzfahrtschiffe verfügen an Board nicht nur über Kühlräume, sondern sogar über Müll- und Entsorgungsanlagen sowie Kläranlagen für Abwässer. In den Abfallräumen können beispielsweise Glasflaschen bereits zerkleinert oder Papier und Kartons gepresst werden. Dann ist schon ganz viel optimal für die Entsorgung im Hafen vorbereitet.

Die Kapitäne müssen ja laut Gefahrgutrecht auf dem Schiff schon Sonderabfälle deklarieren, oder?

Ja genau, das passiert schon an Board des Schiffs. Neben dem Hausmüll oder typischem Glasabfall befinden sich auf so einem Kreuzer ja auch Labore, wo mit Chemikalien gearbeitet wird. Arzneimittel, Rückstände, abgelaufene Tabletten oder auch Pyrotechnik – auf den Kreuzfahrtschiffen haben wir das mit einer riesigen Bandbreite an Abfällen zu tun. Wir begegnen ab und zu mal auch auf Containerschiffen abgelaufener Pyrotechnik. Diese Behälter müssen unbedingt ausgemustert und durch Spezialfirmen entsorgt werden. Der Kapitän muss daher stets einen Überblick über seine Fracht und die Deklaration seiner Abfälle iim Griff haben.

Überprüfen Sie auch mal die Deklaration und machen auch mal eine Probe?

Ja, wir überprüfen genau: Was wurde wieviel vorab angemeldet und was wird uns im Hafen oder auf dem Wasser übergeben? Wie zum Beispiel Glas oder Küchenabfälle oder ölhaltige Putzlappen. Um auch sicher zu sein, dass die gekennzeichneten Abfälle dann hier bei uns auch in den richtigen Abfallströme landen, kontrollieren wir die Sortierung via Sichtkontrolle. Manchmal finden wir in dann in den Glasabfällen zum Beispiel Leuchtstoffröhren, die zwar glasbehaftet sind, aber als Sonderabfall deklariert werden müssen. Oder Farbeimer, die kommen nicht in den Hausmüll, sondern müssen ebenfalls getrennt entsorgt werden. Die Behörden kontrollieren sehr regelmäßig die Entsorgungsnachweise und Bücher, die an Bord lückenlos geführt werden müssen. Wenn es zu irgendwelchen Unregelmäßigkeiten kommt, kommt es auch schon mal zu Verfügungen, dass die Schiffe Auslaufverbot erhalten, bis das Problem geklärt ist.

Wenn Sie jetzt Revue passieren lassen, welche Schiffe werden regelmäßig bei Ihnen entsorgt?

Aktuell braucht man kaum Kreuzfahrtschiffsentsorgung, weil diese Art von Tourismus gerade durch Corona wieder rückläufig ist. Darum haben wir aktuell eher Containerschiffe, die wir entsorgen – fast in Richtung 100 Prozent. Typisch für den Hamburger Hafen ist die Vielfalt der Containerschiffe: ob Getreidedünger, Kohle, Erze oder Öl- und Gasöltanker.

Gibt es auch ab und zu mal private Schiffsbesitzer, die bei Ihnen ihre Kanister entsorgen?

Genau für diesen Kundenstamm haben wir unsere eigenen drei Entsorgungsschiffe: die sind mit zwei Mitarbeitern bemannt und können an jedes Schiff ob groß oder klein im Hafen andocken. Ob Hausmüll, Öl, Sondermüll oder Bilgenwasser – hier entsorgen wir ebenfalls unkompliziert von kleinen Binnenschiffen. Aber unsere größte Abnehmerschaft ist die Seeschifffahrt hier im Hamburger Hafen. Die großen Seeschiffe als Abfallerzeuger liegen dann für zwei Tage am Terminal an und können den gesamten Müll von 50, 60 Kubikmeter und Sludge bei uns abgeben. Nach Anmeldung kommen unsere Entsorgungsschiffe auf dem Wasserweg zum Terminal und docken an. Manchmal liegen zwischen Container- und Entsorgungsschiff fast 20 Höhenmeter. Das ist schon gigantisch. Hierbei reden wir aber meistens über die Entsorgung von flüssigen Abfällen. Nachdem wir die Entsorgungsmengen übernommen haben, transportieren unsere Schiffe dann die flüssigen Abfälle in unserer Entsorgungsanlage. An unserem hauseignen Steg können nur unsere Bartschen anlegen.

Bei uns auf dem Portal geht es ja vor allem um gefährliche Abfälle. Was sind denn die gängigsten gefährlichen Abfälle, die Sie abholen?

Das sind im Flüssigkeitsbereich wie gesagt Bilgenwasser und Sludge-Rückstände, welche ja auch mit Sternchen im Abfallregister versehen sind. 13 04 01 ist Bilgenwasser, 13 04 03 sind Sludge-Rückstände. In Hamburg werden pro Jahr insgesamt circa 40.000 Jahrestonnen Sludge-Rückstände insgesamt entsorgt. Weil sie ja Wasser-gefährdend und für Wasser-Organismen schädlich sind, werden diese als Gefahrstoffe deklariert. Sludge ist einfach gesagt Ölschlamm, hochgiftig und muss in Tanks an Board gelagert werden. Im Feststoffbereich haben wir sowohl Pyrotechnik, ölhaltige Betriebsmittel, Farben, Lacke und Chemikalien. Wenn wir vorab wissen, um was es sich beim Abfall handelt, bringen wir die notwendigen Umverpackungen gleich mit an Board des Schiffes.

Wie ist das: Alles vom Schiff kommt, geht in die Verbrennung und was hat Chancen auf Recycling?

Auf keinen Fall nur Verbrennung! Der abgepumpte Sludge, also der Ölschlamm, wird in unserer Anlage aufbereitet und zunächst in drei Bestandteile zerlegt: Wasser, Sediment und der wichtige Ölanteil. Wasser wird hier in der Anlage so sauber aufbereitet, bis es wieder ins Abwassersiel eingeleitet werden kann. Der Schlamm geht in die Verbrennung und das Altöl wird recycelt und als Ersatzbrennstoff an Hüttenwerke, etc. geliefert. Im Feststoffbereich wird alles so recycelt wie es mit Landabfällen auch möglich ist und wir arbeiten mit Partnern und Dienstleistern zusammen, auch, was die Sonderabfälle betrifft.

Würden Sie sagen, dass es eine besondere Herausforderung ist, wenn man Schiffsentsorgung betreibt, also gerade die flüssigen Stoffe einwandfrei vom einem zum anderen Schiff zu übernehmen?

Ja, das ist eine gewisse Besonderheit. Das stellt auch jedesmal eine Herausforderung dar an das Personal, das vor Ort ist. Alles muss akkurat ablaufen, es wird nach Checkliste gearbeitet, und lieber lässt man Vorsicht walten. Vor jeder Entsorgung müssen alle Gummidichtungen und Schläuche geprüft und erneuert werden, bevor irgendwo etwas undicht ist und dann zu einer Gewässerverunreinigung führen könnte. Und stets müssen die Mitarbeiter aufpassen, denn so ein Schiff ist ja wie eine Badewanne, die durch den Hafen fährt. Es kann ja auch immer mal Leck schlagen oder zu einer Durchrostung kommen. Wie ein LKW werden auch unser Entsorgungsschiffe aller fünf Jahre einer TÜV-Prüfung unterzogen. Als Team überlegen wir zusätzlich immer: Was kann man in der Praxis tun, um noch sicherer zu entsorgen?

Was wünschen Sie sich – vielleicht auch seitens der Politik – für die Zukunft im Hafen?

Wir als Entsorger wünschen uns klare Regularien. Oft gibt es gerade, was den Ölschlamm betrifft, relativ starre und langsam laufende Regularien, die nicht der Wirklichkeit entsprechen. Der Markt ist schneller unterwegs. Stichwort: Ölkrise, Ölpreissteigerung – so schnell kriegen wir die Entwicklungen über die Behörde gar nicht nachjustiert. Wir bekommen immer einen festen Gebührenbetrag, der immer drei, vier Jahre feststeht, egal was in der Weltwirtschaft oder in der Umweltpolitik passiert. Wir leisten immer einen Spagat zwischen extremer Verantwortung und Sorgfaltspflicht und wirtschaftlichen Interessen. Ich würde mir wünschen, dass es flexiblere Möglichkeiten gibt, uns besser an die Marktsituation anzupassen. Ich bin selbst in dieser Branche seit 1990 hier in Hamburg dabei. Es ist und bleibt spannend. Und selbst nach den vielen Jahren Schiffsentsorgung freut man sich über positives Feedback von Kunden im Hafen und ist stolz auf sein 11-köpfiges Team, welches hier täglich gewissenhaft arbeitet.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

Quellen

Alle Angaben ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit