Thomas Fuhrer, Geschäftsführer bei der Chiresa AG (Foto: Chiresa)
Thomas Fuhrer, Geschäftsführer bei der Chiresa AG
Foto: Chiresa

Blick ins Ausland Sonderabfall-Lösungen in der Schweiz – Dismantling von Autobatterien

Bei der Sonderabfallentsorgung lohnt sich ein Blick ins Ausland: In der Schweiz entstanden 2021 rund 1,9 Millionen Tonnen Sonderabfälle. Davon wurden 73 % im Inland verwertet, behandelt oder deponiert; 27 % exportiert. In welchen Branchen die Sonderabfälle anfallen und wie sie entsorgt werden, weiß Thomas Fuhrer von der Chiresa AG aus Turgi im Kanton Aargau. Außerdem werden seit diesem Jahr unter seiner Leitung erstmalig in der Schweiz Autobatterien demoniert und so in Second Life weiterverwendet oder Lithium und andere Rohstoffe zurückgewonnen.

Lieber Herr Fuhrer, Chiresa bietet viele Kompetenzbereiche als Dienstleister in Sachen Sonderabfälle an. Welche sind das und wer sind Ihre Kunden?

So divers wie die Abfälle sind auch unsere Kunden. Wir bedienen die kleine Werkstatt und den Malermeister von nebenan ebenso wie die großen Industrieunternehmen. Im Bereich Sonderabfall zeichnen wir uns vor allem für ökologisch und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen für unsere Kunden aus, um in erster Linie gefährliche Abfälle zu vermindern, zu verwerten, zu recyceln und zu entsorgen.

Unsere Hauptkunden sind Chemiepartner – allen voran die pharmazeutische Chemie, Nahrungsmittel-, Agrar- und Textilchemie. Für diese Branche ist vor allem die nachhaltige Entsorgung ein großes Thema. Hier bedeutet Nachhaltigkeit in erster Linie, dass wir mehrere Lösungswege bei der Entsorgung gefährlicher Substanzen parat haben und dass wir jeder Zeit problemlos auf eine andere Lösung umschwenken können. Wir bieten immer die stoffliche Verwertung vor der thermischen Verwertung an. Das ist bereits nachhaltig, aber vor allem ist die Sicherheit ein wichtiges Argument für die Kunden.

Unser zweiter Kundenkreis kommt aus der metallverarbeitenden Industrie. Wir betreiben eine Chemisch-Physikalische Anlage hier und nehmen schwermetallhaltige Abwässer an, spalten und entgiften diese, fällen dies in einen Metallhydroxidschlamm und geben diesen Schlamm in die Verwertung.

Trotz Ihrer hervorragenden Arbeit wird ein knappes Drittel des Schweizer Sonderabfalls laut BAFU (Bundesamt für Umwelt) „zur umweltverträglichen Entsorgung exportiert“. Wo landet der Abfall und was passiert damit?

Schweizer Abfälle werden zur Entsorgung ins Ausland exportiert, wenn es in der Schweiz keine Kapazitäten oder zu wenig Kapazitäten gibt. Warum kommt es zu wenig Kapazitäten? Weil gerade die Schweizer Pharma- und Chemie-Industrie mehr Abfälle produziert als das Schweizer Entsorgungsnetzwerk annehmen kann. Manchmal ist es auch so, dass es für bestimmte Sonderabfälle keine entsprechende Anlage bei uns gibt, dann suchen wir je nach Zusammensetzung des Abfalls Verwertungsmöglichkeiten im Ausland, da die Verwertung immer vor der Beseitigung in der Abfallhierarchie steht. Wenn also eine Verwertung im Ausland gewährleistet werden kann und bei uns nur eine Beseitigung, erfolgt deshalb der Export.

Zur Person: Thomas Fuhrer

  • Studium Chemie-Ingenieurtechnik an der Burgdorf HTL
  • 1991 bis 2020 Head of Pilot and Manufacturing Plant bei CABB
  • seit 2020 Geschäftsführer bei der Chiresa AG

Verstärkte Ressourcennutzung ist ein wichtiger Aspekt dieser Zeit. Welche Herausforderungen kommen denn sonst immer mehr auf Ihre Kunden zu?

Die Sonderabfälle müssen heutzutage im Sinne der Umwelt soweit wie möglich vermieden oder minimiert werden. Deshalb sind wir bei unseren Kunden bereits bei der Produktentwicklung oder beim Bau eines neuen Standorts als Berater dabei und finden bereits vor der Entstehung von Sonderabfällen gemeinsam Möglichkeiten, um diese zu minimieren und an der richtigen Stelle sicher auszuleiten. Die Frage ist immer: Wie können die gefährlichen Abfälle ökologischer und ökonomischer entsorgt werden. Hier helfen wir von Anfang an bei der Regelung der Abfallströme.

Es heißt, der Umgang mit Gefahrgut und gefährlichen Abfällen sei in der Schweiz unkomplizierter als in Deutschland. Was genau ist einfacher und wie kommt das?

Ich denke, vor allem liegt der Vorteil in der Schweiz in unseren kurzen Wegen zu Behörden. Wir kommen sehr schnell mit den Entscheidungsträgern des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) in Kontakt, wenn wir ein Anliegen haben. Die Behörden in der Schweiz finden sehr schnell mit uns gemeinsame Lösungen – im Sinne der Umwelt, des Kantons und der Kunden.

Zusätzlich sind wir im VBSA organisiert, dem Verband der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen. Der Verband ist führend im Bereich der Schweizer Abfallwirtschaft. Die Mitglieder des VBSA sind Kaderleute und Betreiber verschiedenster Abfallanlagen. Der Verband setzt sich für eine nachhaltige, umweltgerechte und professionelle Abfallwirtschaft ein. Hier sind wir in verschiedenen Gremien und Sondergruppe organisiert. Der VBSA hält ebenfalls den engen Austausch mit Behörden, den Fachgruppen und anderen Verbänden. So können schwierige Aufgaben gemeinsam gelöst werden und das konsequent schnell und pragmatisch.

Welche rechtlichen Grundlagen in Sachen Sonderabfälle gelten in der Schweiz grundlegend?

Das sind neben dem ADR vor allem die VVEA (Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen) und die VeVA (Verordnung über den Verkehr mit Abfällen). Die dazugehörenden Vollzugshilfen geben Vorgaben und Hilfestellungen zur Umsetzung.

Thema ADR: Eine weitere Besonderheit der Schweiz betrifft das hohe Aufkommen von Tunneln. Hier herrscht deshalb in der DACH-Region die mit Abstand strengste Tunnelverordnung, was Gefahrguttransporte angeht. Was müssen Sie bei der Planung von Transporten gefährlicher Abfälle beachten?

Es existieren nur zwei Tunnelkategorien in CH: entweder frei für Sonderabfall-Transporte (Galerien) oder nicht-frei (Kategorie E). Eine Abstufung wie in Deutschland existiert in der Schweiz nicht. Daher: Ja, hier wird es strenger gehandhabt. Als Schweizer Unternehmen ist man sich dieser Situation bewusst, steuert die Logistik entsprechend und hält Back-Up-Lösungen bereit.

Für den Fall, dass Tunnel gesperrt, sind gibt es immer Wege um den Berg herum oder über den Pass. Das kann auch mal einen Transit durch Italien bedeuten.

In besonderen Härtefällen können Sonderbewilligungen für den Transport durch bestimmte Tunnel beantragt werden, aber in aller Regel werden diese abgelehnt. Durch den Gotthard-Tunnel zum Beispiel kann durch uns auf der Schiene transportiert werden, aber nicht auf dem Straßen-Tunnel.

Nun haben Sie als Chiresa eine eigene Dienstleistung entwickelt, die einmalig in der Schweiz ist: Das Dismantling von Autobatterien. Wie ist die Idee entstanden und was kann man sich darunter vorstellen?

Die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien (LIO) ist enorm. Es braucht deshalb dringend Lösungen für den Umgang, Second-Life und das Recycling. Auch der Bund ist sehr stark an nachhaltigen Projekten interessiert, gerade was die Zurückgewinnung von Rohstoffen betrifft. Wir als Unternehmen bieten schon immer sichere und flexible Systemlösungen für die Lagerung, den Transport und die Logistik zur fachgerechten Entsorgung von LIOs an.

Was aber das Recycling und die Rückgewinnung betrifft, ist „Battery Dismantling“ hier das Zauberwort. Am Standort Full-Reuenthal betreiben wir seit Mai dieses Jahres eine Anlage mit einer Produktionslinie zum Dismantling und Discharging von nicht kritischen und nicht defekten Lithium-Ionen-Auto-Batterien. Das Dismantling der Autobatterie dient der Vorbereitung zum Recycling: das Batteriegehäuse wird geöffnet, die einzelnen Module ausgebaut, analysiert und bei Bedarf tiefenentladen. Die Energie aus der Tiefenentladung wird ins Betriebsnetz der Chiresa eingespeist. Das Batteriegehäuse (Stahl, Aluminium, Kunststoff, Kabel etc.) wird dem Recycling zugeführt. Die tiefenentladenen Module werden platzsparend und sicher gelagert und dann zum Recycling weitertransportiert.

Im Recycling werden die Module in mehreren Prozessschritten zerkleinert, getrennt, getrocknet und aufbereitet, sodass die einzelnen Wertstoffe (Co, Li, Mn, Graphit, Elektrolyt etc.) wieder in der Industrie eingesetzt werden können.

Dieser Recyclingprozess wird bei Batterien angewendet, deren Kapazität bei unter 80 % liegt (end of life). Module mit einer Kapazität von über 80 % – und das macht aktuell den Großteil aus – können für Second-Life an einen Partner weitergegeben werden. Das heißt, die Batterie wird weitergenutzt, allerdings nicht mehr in Fahrzeugen, sondern im stationären Betrieb, beispielswiese als Speicher.

Dieser Abfallstrom ist für die Chiresa nur der Anfang, wir probieren und forschen im Sinne der Nachhaltigkeit weiter.

Vielen Dank für das Gespräch.

Quellen

Alle Angaben ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit