Ein Asbestsanierungsexperte entfernt sorgfältig gefährliche Materialien aus einem alten Gebäude (Foto: Ratchadaporn (AdobeStock))
Ein Asbestsanierungsexperte entfernt sorgfältig gefährliche Materialien aus einem alten Gebäude
Foto: Ratchadaporn (AdobeStock)

Recht „Bärendienst“ für die Entsorgung von Gefahrstoffen und eine Absage an 15 Jahre Asbestdialog

Trotz erheblicher Bedenken seitens verschiedener Verbände hat das Bundeskabinett am 21. August die umstrittene Novelle der Gefahrstoffverordnung verabschiedet. Besonders in der Bau- und Entsorgungswirtschaft regt sich massiver Widerstand gegen die neuen Regelungen, die den Umgang mit asbestkontaminierten Materialien ändern sollen. Eine Veröffentlichung der Änderungen im Bundesgesetzblatt wird im Oktober erwartet.

Anfang Juni hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BAMS) den inzwischen 4. Referentenentwurf zur Änderung der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) vorgelegt. Ziel der Gesetzesnovelle ist eine optimierte Sicherheitsprävention bei der Handhabung von krebserzeugenden Gefahrstoffen. Dabei sieht der Entwurf unter anderem vor, dass die bisherige Pflicht des Bauherrn/Veranlassers zur Vorerkundung/Untersuchung baulicher Anlagen zukünftig durch eine reine Mitwirkungspflicht bei der Informationsbeschaffung ersetzt werden soll. Dies stößt bei der Bau- und Entsorgungswirtschaft auf massive Kritik.

Der Entwurf nimmt konkret krebserzeugende Gefahrstoffe der Kategorien 1A und 1B respektive der sogenannten H-Sätze H350 (kann Krebs erzeugen), H350i (kann vermutlich Krebs erzeugen) und H351 (kann beim Einatmen Krebs erzeugen) in den Fokus. Neue bzw. aktualisierte Vorgaben zu Verschlussregelungen, den Mitteilungspflichten an zuständige Behörden oder zu den Expositionsverzeichnissen für reproduktionstoxische Stoffe wurden dabei seitens der chemischen Industrie als positiv bewertet.

Im Gegensatz dazu äußerte die Bau- wie auch Recycling- und Entsorgungswirtschaft scharfe Kritik. Sieben Branchenverbände (darunter BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft und Zentralverband Deutsches Baugewerbe) sprachen in einem gemeinsamen Brandbrief an das Bundeskanzleramt und vier weitere Ministerien von „gravierenden Mängeln“ im Entwurf und mahnten an, von einer Beschlussfassung abzusehen.

Die Kritik entzündete sich dabei vor allem an einem Hauptaspekt des Entwurfes: Auf die in ihm angestrebten Vorgaben zum Umgang mit Gefahrstoff-kontaminierten Materialfraktionen, speziell bei von Asbest durchsetztem Gebäudebestand.

Asbest firmiert unter den H-Sätzen H350 sowie H371 (schädigt Organe bei längerer oder wiederholter Exposition). Dass dazu auf Basis des nationalen Asbestdialogs eine verstärkte Sicherheitsprävention in der GefStoffV verankert werden soll, hat also erst einmal seine Gründe. Die Kritik der Verbände richtet sich dann auch nicht gegen die Intentionen, die dem Entwurf zugrunde liegen, sondern argumentiert vielmehr, dass sicherheitsrelevante Ergebnisse des Asbestdialogs eben nicht sinnführend berücksichtigt worden sind und diesen sogar zuwiderlaufen.

In gravierendem Maße träfe das für die Abkehr von der Erkundungspflicht für Bauherren und Bauauftraggeber zu. War diese im Erstentwurf von 2022 noch integraler Bestandteil, ist an ihrer Stelle jetzt eine bloße „Mitwirkungspflicht“ getreten. Die Bauherren/Auftraggeber müssen dieser in einem für sie „zumutbaren Umfang“ nachkommen, wobei es im Ermessen der Bauherren/Auftraggeber liegt, welche Daten und Informationen sie übermitteln und welchen Aufwand sie für die Erhebung dieser Daten und Informationen als „zumutbar“ definieren.

Die Folge einer solchen Neuregelung wäre eine einseitige Verantwortlichkeitsverschiebung der sicherheitsrelevanten Bringschuld in Richtung der Bau- und Entsorgungsunternehmen. Jeder einzelne Handwerksbetrieb, jeder einzelne Handwerker müsste etwa bei einer Bau- oder Sanierungsmaßnahme fortan in weitgehender Eigenverantwortung eruieren, ob und welche Gefahrstoffe zu erwarten sind, um daraus dann die notwendige Gefährdungsbeurteilung abzuleiten. Anders gesagt: Der Handwerksbetrieb muss einschätzen und gegenprüfen, ob die vom Bauherren gegebenen Informationen „zumutbaren Umfangs“ tatsächlich auch umfänglich genug sind, um einen lückenlos sicheren Arbeitsprozess zu gewährleisten. Für Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, ist diese Regelung somit „eine komplette Absage an das, was wir in 15 Jahren gemeinsamen Asbestdialog erarbeitet haben“.

Rechnet man noch die ebenfalls angemahnte Ungenauigkeit bei der Stichtagregelung für die Asbestvermutung hinzu, wird nach Ansicht der Kritiker eine derart novellierte GefStoffV gesundheitliche, ökonomische und ökologische Risiken eher maximieren als verringern. In einem Interview brachte Stefan Schmidmeyer, Geschäftsführer des bvse-Fachverbandes Mineralik – Recycling und Verwertung, das auf den Punkt: „Mit der Abkehr von der Veranlasserpflicht verpasst der Referentenentwurf die Chance, Probleme zu lösen und strukturelle Verbesserungen vorzunehmen. Ganz im Gegenteil – diese Regelung wird ausgerechnet den regelkonformen und verantwortungsbewusst arbeitenden Unternehmen einen Bärendienst leisten.“

Trotz der Kritik wird der Entwurf indes nicht mehr geändert werden. In einem Antwortschreiben an die Verbände bezeichnet Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD) weiterreichende Erkundungspflichten für Bauherren zwar als wünschenswert, verweist aber zugleich darauf, dass solche an anderer Stelle, beispielsweise bei der energetischen Gebäudesanierung, hinderlich seien könnten. Schmidt äußert sich überzeugt davon, dass im Entwurf „Bedenken und Anliegen aller Seiten soweit wie möglich berücksichtigt wurden”. Am 21. August 2024 ist die Novelle vom Bundeskabinett verabschiedet worden. Sie bedarf jetzt noch der Zustimmung der Länder.

Quellen

Alle Angaben ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit