Unter dem Motto „Recyclate für die Kreislaufwirtschaft“ veranstaltete der bvse-Fachverband Kunststoffrecycling am 30. November und 1. Dezember 2021 den 23. Internationalen Altkunststofftag. Inzwischen als europäisches Branchentreffen für Organisationen aller Wertschöpfungsketten im Kunststoffrecycling etabliert, nahmen am ersten Konferenztag über 300 Branchenvertreter teil – zum Teil vor Ort in Köln, zum Teil virtuell über einen Livestream. Der zweite Veranstaltungstag war als Workshop zu Kunststoff, von der Produktgestaltung über Mülltrennung und Recyclingverfahren bis hin zur Vermarktung von Regranulat, ausgelegt. Begleitend gab es eine Produktausstellung.
Expertinnen und Experten aus der Branche, von NGOs sowie aus Wissenschaft und Forschung stellten in 15-minütigen Impulsvorträgen Aspekte zur Neuordnung der internationalen Kunststoffverbringung vor, des Kunststoffbashings und des Beitrags des Kunststoffrecyclings – auf der Grundlage des Verpackungsgesetzes – zur Kreislaufwirtschaft und zum Klimaschutz. Immer wieder Thema, auch in der anschießenden Podiumsdiskussion: Mögliche Kursrichtungen der neuen Ampelregierung zum Kunststoffrecycling, u. a. die Aufnahme des chemischen Kunststoffrecyclings als Option.
Der kürzlich gewählte Präsident des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) Henry Forster eröffnete den Altkunststofftag. Per Video zugeschaltet, hob er die Bedeutung von Kunststoffen als Auslöser für neue Abfall-Gesetze und -Richtlinien hervor. So wurden in den anschließenden Vorträgen – u. a. von Christian Pieringer (Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Internationale Kunststoffverbringung), Dr. Olaf Kropp (SAM Sonderabfall-Management-Gesellschaft Rheinland-Pfalz mbH) und Professor Gilian Gerke (Hochschule Magdeburg-Stendal) – die Novelle des Basler Übereinkommens zur Verschärfung der Überwachung von Kunststoffabfällen und die 2021 aktualisierte Abfallverbringungsverordnung betrachtet, insbesondere die jeweiligen Abfallcodes, Notifizierungen (notifizierungsbedürftig sind u. a. gefährliche Kunststoffabfälle) und die Grenzwerte für Fremdstoffe bei der Verbringung innerhalb der EU und in Drittstaaten.
Wie bereits bei der Abfallrecht-Tagung in Dortmund ging es außerdem um die Anwendung der zwei großen Rechtsgebiete im Kunststoff-Kreislauf: REACH / CLP für Recyklate vs. Abfallrecht für Altkunststoffe. Dazu referierte u. a. Kerstin Heitmann von Compliance for Chemicals.
Des Weiteren sprach die Vorständin Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) Gunda Rachut über verschiedene Varianten einer möglichen ökonomischen Lenkung hin zu einer künftig recyclinggerechteren Gestaltung von Verpackungen sowie einer Steigerung des Recyclateinsatzes. In diesem Kontext mit Spannung erwartet: Der Arbeitsentwurf der Europäischen Kommission für eine überarbeitete Verpackungsregulierung im zweiten Quartal 2022.
Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe hinterfragte in seinen Beiträgen das chemische Recycling. Mit Blick auf den damit einhergehenden hohen Energieeinsatz, schädliche und zu entsorgende Nebenprodukte, geringe Materialausbeute und den notwendigen sortierten Input sei dieses äußerst kritisch zu betrachten. Zudem dürfe das Verfahren Design for Recycling nicht konterkarieren. Es seien unabhängige Untersuchungen zur Ökobilanz nötig, bevor eine politische Förderung gerechtfertigt sei. Ein anwesender Vertreter eines Recyclingunternehmens kündigte in der Diskussion jedoch an, entsprechende Daten würden kommen und verwies auf das weltweit betriebene chemische Recycling.
Dass Deutschland führend beim werkstofflichen Recycling sei, Ressourcen erhalte, Prozessenergie einspare und Treibhausgase vermindere – also kreislauffähig und ökologisch nachhaltig sei –, bekräftigte Dr. Thomas Probst, Referent des bvse-Fachverbandes Kunststoffrecycling.
Allgemeiner Konsens herrschte beim Thema Papierkunststoffverbunde: Weder beim Papier- noch beim Kunststoffrecycling könne mit dem Material gearbeitet werden, so dass es lediglich als Ersatzbrennstoff genutzt werden könne. Ein Materialtrend, dem dringend Einhalt geboten werden müsse.
Knappe Verwertungskapazitäten in deutschen und europäischen Anlagen, Substitutionsquoten, Mindestquoten in der öffentlichen Beschaffung, das Positionspapier der deutschen Kunststoff- und Recyclingindustrie, Digitalisierung – die Liste der beim Internationalen Altkunststofftag diskutierten Themen könnte an dieser Stelle noch um viele weitere ergänzt werden.
Der Gesprächsbedarf zum Thema Kunststoffrecycling zeigt die hohe Komplexität und Dynamik des zugrunde liegenden Rechtsrahmens, die enormen Herausforderungen der praktischen Umsetzung von Gesetzen, Verordnungen und Leitlinien sowie die gestiegene Relevanz des Themas für Klima- und Umweltziele. Umso bedeutender sind Plattformen für fachlichen Austausch wie der Internationale Altkunststofftag.
Quellen
- Fachverband Kunststoffrecycling: Diesjähriger bvse-Altkunststofftag präsentiert sich in Köln
- Fachverbrand Kunststoffrecycling: Das war der Internationale Altkunststofftag 2021
- Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser und Rohstoffwirtschaft e. V. (BDE): Kunststoffe auf Kurs Richtung Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz! Positionspapier veröffentlicht