Sonderabfall-Entsorgung stellt Kommunen vor komplexe Aufgaben
Dass gefährliche Abfälle (Sonderabfälle wie Altöle, Farben, Lacke, Leuchtstoffröhren, Batterien usw.) gesondert gesammelt werden müssen, ist Usus, mithin gesetzlich festgeschrieben. Eine Notwendigkeit, die sich nicht nur aus ökonomisch-ökologischer respektive kreislaufwirtschaftlicher Sicht ergibt, sondern auch unmittelbaren Sicherheitsaspekten geschuldet ist – nämlich des Schutzes von Mensch und Umwelt. Sonderabfälle bergen, wenn auch in verschieden starkem Maße, immer ein Gefahrenpotenzial.
Nun hat im letzten Jahr eine Untersuchung der DUH (Deutschen Umwelthilfe) „gravierende Probleme bei der kommunalen Schadstoffsammlung“ (DUH-Pressemitteilung) ausgemacht. Angemahnt wurden
- eine ungenügend flächendeckende Dichte an Recyclinghöfen oder anderen stationären Schadstoffsammelstellen,
- unregelmäßige Öffnungszeiten bei vielen Sammelstellen,
- Sammelfahrzeuge, die nur an (zu) wenigen Tagen im Jahr vor Ort Rückgabemöglichkeiten bieten,
- ungenügende Informationen über Abgabe- und Entsorgungsmöglichkeiten sowie
- begrenzte Abgabemöglichkeiten für gefährliche Abfälle.
Ob diese Probleme nun tatsächlich in „gravierendem“ Maße auftreten, ist eine Frage, die man an anderer Stelle durchaus diskutieren könnte. Hier und jetzt ist etwas anderes wichtig. Denn Fakt ist: Es gibt zahlreiche Kommunen, auf die diese Negativbilanz so mitnichten zutrifft; was im Übrigen auch in der DUH-Untersuchung mit Positiv-Beispielen illustriert wird. Fakt ist aber ebenso, dass Kommunen mit der Sonderabfall-Entsorgung vor komplexen Aufgaben stehen, bei denen Aspekte der Daseinsvorsorge, mit denen finanzieller und struktureller Gegebenheiten vor Ort und nicht zuletzt die Vorgaben einer Vielzahl gesetzlicher Regelungen miteinander in Einklang gebracht werden müssen.
Gesetzliche Grundlagen des Abfallmanagements
Auch für die kleinsten Kommunen gelten selbstredend erst einmal die großen EU-verbindlichen nationalen gesetzlichen Vorschriften, wie sie im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) oder den verschiedensten Richtlinien (Abfallrahmenrichtlinie, Abfallverbringungsverordnung) fixiert sind. Zudem ist für kommunale Entscheider die Konsultation dezidiert abfallstrombezogener wie auch technologieorientierter Richtlinien oder einschlägiger Haftungsrichtlinien (z. B. Umwelthaftungsrichtlinie RL 2004/35/EG, Richtlinie für den strafrechtlichen Schutz der Umwelt, RL 2008/99EG) sinnvoll. Das trifft umso mehr bei der Handhabung von Gefahrstoffen und gefährlichen Abfällen zu. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass auch im Rahmen kommunaler Entsorgungsstrategien die oberste Priorität immer auf Abfallvermeidungskonzepten zu liegen hat (siehe: fünfstufige Abfallhierarchie der EU-Abfallrahmenrichtlinie im Kreislaufwirtschaftsgesetz).
Unentbehrliches Regelwerk für Sammelstellen: TRGS 520
So wichtig diese Gesetze und Richtlinien sind: Das unentbehrlichste Regelwerk für die Praxis der Sonderabfall-/Schadstoffentsorgung ist auch für kommunale Verantwortungsträger die TRGS 520 (Technische Regeln für Gefahrstoffe). Die TRGS 520 fixiert die sicherheitstechnischen Parameter zur Errichtung und zum Betrieb von Sammelstellen und Zwischenlagern für Kleinmengen gefährlicher Abfälle. Die Vorgaben beziehen sich dabei sowohl auf stationäre als auch mobile Sammelstellen (Schadstoffmobil). Zu berücksichtigen ist grundlegend: Nicht jeder Wertstoffhof, nicht jede Sammelstelle hat die Befugnis und Kompetenz, umfänglich Schadstoffe zu sammeln. Welche Voraussetzungen für einen Status als Sonderabfall-Sammelstelle zu erfüllen sind, ist in der TRGS 520 verzeichnet. Das Regelwerk gehört somit zum Fundament jedweder Entscheidungsfindung bei der Organisation der kommunalen Schadstoffentsorgung.
Ein weiterer Schritt explizit kommunaler Entscheidungskompetenz ist die:
„Gebietstypisierung“ und die Frage nach dem In- oder Outsourcing
Abfallwirtschaft funktioniert nur dann effektiv, wenn die strukturellen Charakteristika, die vorhandenen Voraussetzungen des jeweiligen Planungsgebietes genau analysiert werden. Das heißt: Ökonomische Gegebenheiten (welche Gewerbe, Industrien, Dienstleister existieren), Infrastruktur (Einwohnerzahl, Zahl und Art der Transportwege), aber auch soziale und kulturelle Aspekte (Sozial- und Altersstruktur) müssen zueinander in Bezug gesetzt und miteinander austariert werden. Es sind diese verschiedenen Parameter in ihrer Wechselwirkung, aus denen sich Abfallmengen und Abfallzusammensetzung prognostizieren und folglich die angemessenen, zielführenden Entscheidungen für die Praxis ziehen lassen.
Eine sinnvolle abfallwirtschaftliche Strategie zu etablieren bedeutet also erst einmal, eine „Gebietstypisierung“ vorzunehmen. Basierend auf dieser sind dann die umzusetzenden lokalspezifischen Schlussfolgerungen zu treffen. Im Kern ist eine Gebietstypisierung nach sechs Leitkriterien auszurichten:
- Siedlungsstruktur
- vorrangige Art der Gebäudebeheizung
- Gewerbestruktur
- Verkehrswegenetz
- Industriestruktur
- Regionale Besonderheiten
Was dann jeweils für welche Kommune das realistische (nicht zuletzt: finanzierbare) Entsorgungsmodell ist, variiert mitunter stark (siehe auch eine Publikation des Bundesumweltamtes: „Bewährte Verfahren zur kommunalen Abfallbewirtschaftung. Informationssammlung über Ansätze zur nachhaltigen Gestaltung der kommunalen Abfallbewirtschaftung und dafür geeignete Technologien und Ausrüstungen.“)
Eine Hauptfrage für die Kommunen ist dabei gleichwohl immer wieder auch die eine: In- oder Outsourcing? Wie viel kommunal-privatwirtschaftliche Allianz ist gewollt und/oder realisierbar? Auch hier gilt natürlich: Genau analysieren. Nichtsdestotrotz ist festzuhalten, dass die Kooperation mit privatwirtschaftlichen Entsorgern naheliegend ist. Das gegebene Know-how, die vor allem auch beim Umgang mit Sonderabfall sicherheitstechnischen Kompetenzen, die kundenfreundlichen, serviceorientierten Angebotspaletten sind gewichtige Argumente, die bei der kommunalen Entscheidungsfindung berücksichtigt werden sollten.
Schadstoffhof, Schadstoffmobil und bürgerfreundliche Wertstoffsammlung
Das zeigt sich auch am Beispiel der mobilen Sammelstellen bzw. Schadstoffmobile. Meist ist hier seitens der Unternehmen eine Angebotsbreite vorhanden, die flexibel nach den jeweiligen kommunalen Bedürfnissen ausgerichtet werden kann. Maßgeschneiderte Leistungserbringung für die anvisierte Zielgruppe und umweltschonende Entsorgung sind dabei ebenso gewährleistet, wie ein geschultes Personal, das die von der Bevölkerung abgegebenen Schadstoffe direkt vor Ort (im Fahrzeug) sortiert und in dafür zugelassenen Transportbehältern zwischenlagert.
Kurz zu erwähnen ist an der Stelle dabei noch einmal die eingangs angeführte DUH-Untersuchung. Diese vertritt die Meinung, dass Schadstoffmobile stationäre Sammelstellen zwar ergänzen würden, aber nicht ersetzen könnten. Dem ist zu entgegnen, dass sich viele Kommunen aus ökonomischen, aber auch aus Gründen der dienstleistungsorientierten Bürgernähe, für eine Priorisierung der mobilen Sammlung entscheiden. Eine solche Entscheidung ist oft schlicht eine des zielorientierten Pragmatismus. Und zeigt in der Praxis oft, dass auch ein bloßes mobiles Angebot in zuverlässiger Regelmäßigkeit, die Möglichkeit zur Entsorgung von Sonderabfällen umfänglich gewährleistet.
Dass nicht jeder Wertstoff- auch ein Schadstoffhof ist, wurde schon erwähnt. Zu berücksichtigen ist für Kommunen aber in jedem Fall:
- der Sammelstellen-Standort: Unabdingbar ist hier eine gute Erreichbarkeit/Verkehrsanbindung
- eine klar erkennbare Beschilderung; sowohl auf dem Gelände der Sammelstelle (wohin kommt welcher Abfall?, Gefahrenhinweise) als auch außerhalb dieser (Wegweiser zur Sammelstelle)
- Gewährleistung der Kundenfreundlichkeit durch hohe, klar kommunizierte Servicekriterien: Seitens der Kommune sollten außerdem regelmäßige Umfragen zur Kundenzufriedenheit durchgeführt und Medienportale zwecks Informationen für und Kommunikation mit den Kunden installiert werden.
- die stetige Qualifikation des Personals und zwar sowohl was Kundenservice-Belange angeht als natürlich auch den fachgerechten Umgang mit Abfällen im Allgemeinen (Wertstoffhof) und Gefahrstoffen und Sonderabfällen im Speziellen (Schadstoffhof).
Einen guten Leitfaden für kommunale Entscheider liefert hier „Der kommunale Wertstoffhof. Baustein für eine effiziente Kreislaufwirtschaft“ vom Verband kommunaler Unternehmer e.V. (VKU). Zudem gibt RAL – Das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. eine gute Orientierungshilfe zur Realisierung einer bürgerfreundlichen Wertstoffsammlung. Informiert wird über Aspekte der Zielausrichtung kommunaler Abfallwirtschaft wie auch über Instrumente für deren Umsetzung. Und es gibt einen serviceorientierten Best-Practice-Kriterienkatalog, der Güte- und Prüfbestimmungen ebenso einbezieht wie die Anforderungen an die Kommunikation mit den Kunden und die Optimierung des kreislaufwirtschaftlichen „Rückkonsum“ (siehe: RAL-Gütezeichen 950).
Innovation und das unmittelbar Notwendige
Die Frage, wie eine optimale kommunale Schadstoffentsorgung aussehen sollte, ist nicht schwer zu beantworten. Die Herausforderung ist, diesen Anspruch in der Praxis umzusetzen. Eine Binsenweisheit, sicher.
Die eine Sache bei der Realisierung ist freilich immer auch die Einbeziehung innovativer Konzepte; etwa die Möglichkeit zu 24/7-Abgabe-Buchungen via App seitens stationärer Sammelstellen. Oder auch Schadstoffmobile, die nach individueller Terminvereinbarung Sonderabfälle direkt an der Haustür abholen. Die andere wichtige Sache ist, dass man gleichwohl das unmittelbar Notwendige erkennt – und es angeht. Drei Punkte müssen dafür Berücksichtigung finden:
- Eine optimale Entsorgung von Sonderabfällen setzt ein Entsorgungskonzept voraus, das in genauem Maße auf die jeweilige Kommune zugeschnitten ist.
- Programmatische Allianzen zwischen Kommunen und privatwirtschaftlichen Entsorgern sind bei der Planung wie auch Umsetzung der Entsorgungskonzepte klar von Vorteil.
- Ein „gravierendes Problem“ muss dabei tatsächlich verstärkt in Angriff genommen werden: Die Behebung eines eklatanten Mangels an Fachkräften.
Das heißt, an Fachkräften, die Kompetenzen mit sich bringen, welche für den Umgang mit Gefahrstoffen und gefährlichen Abfällen nötig sind. Flächendeckend existierende Sammelstellen nützen gar nichts, wenn es nicht genügend geschultes Personal dafür gibt. Diese Situation zu ändern, ist einer der größten Dringlichkeiten der Gegenwart. Bernhard Jäger ging das mit einer Initiative an. Mit dem Zertifikatslehrgang „Chemiespezifische Qualifizierung gemäß TRGS 520 (IHK)®“ gegen Fachkräftemangel an Sammelstellen. Ein unmittelbar notwendiges und pragmatisch zukunftsorientiertes Angebot, gerade auch an Kommunen.
Quellen
- RecyclingPortal: Offenbar gravierende Probleme bei der kommunalen Schadstoff-Sammlung
- Deutsche Umwelthilfe. Testergebnisse kommunale Sammelstellen
- Bundesamt für Naturschutz: EU-Richtlinien
- Sonderabfallwissen: Gefahrstoffentsorgung: 5 wichtige Gesetze – Sonderabfallwissen
- Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz: Leitfaden zur Erstellung kommunaler Abfallvermeidungskonzepte: https://www.resource-lab.de/documents/Leitfaden_ResourceLab.pdf
- Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: TRGS 520 Errichtung und Betrieb von Sammelstellen und Zwischenlagern für Kleinmengen gefährlicher Abfälle
- Heinrich-Böll-Stiftung e.V.: In- und Outsourcing in der kommunalen Abfallwirtschaft
- Umweltbundesamt: Bewährte Verfahren zur kommunalen Abfallbewirtschaftung
- Remondis: Unser Schadstoffmobil – die perfekte Lösung für Kommunen und Unternehmen
- Verband kommunaler Unternehmen: Der kommunale Wertstoffhof
- Geschäftsstelle der RAL Gütegemeinschaft Rückkonsum e.V.
- Sonderabfall am Wertstoffhof: (IHK) TRGS 520-Zertifikatslehrgang gegen Fachkräftemangel an Sammelstellen