Dr. Franziska Lederer (Foto: André Wirsig/HZDR) (Foto: André Wirsig/HZDR)
Die Biologin Dr. Franziska Lederer leitet seit 1.10.2018 die Nachwuchsgruppe "BioKollekt" am HZDR
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Forschung Neues Verfahren bringt verborgene Schätze aus Elektroschrott ans Licht

Das Recycling von Elektro- und Elektronikaltgeräten wird im Zuge von Klimaschutz und Ressourcenschonung immer bedeutsamer. Der Weg von der Sammlung über die Sortierung bis hin zur Verwertung der genutzten Geräte ist jedoch lang. Einen weiteren Fortschritt zur Optimierung der Prozesse bringt nun eine nobelpreisgekrönte Technologie, die sich das Dresdner Helmholtz-Zentrum zu Nutze macht.

  • Die Sammlung und Sortierung von Elektroschrott stellt in Deutschland noch immer eine Herausforderung dar, lohnt sich jedoch hinsichtlich der Rückgewinnung von Rohstoffen.
  • Neue Rohstoffe sind nicht nur knapp, sondern werden zum Teil unter Bedingungen gewonnen, die Umwelt und Mensch stark beeinträchtigen bzw. schädigen.
  • In Zusammenarbeit mit kanadischen Forschern hat das Dresdner Helmholtz-Zentrum ein Verfahren für das Extrahieren von Metallen seltener Erden vorgestellt, dass die Gewinnung von wertvollen Sekundärrohstoffen ermöglicht.

Sammlung von Elektroschrott als Voraussetzung

Unsere Gesellschaft hat sich über die letzten beiden Jahrzehnte immer mehr technologisiert und digitalisiert. Es überrascht demnach nicht, dass das Aufkommen elektronischer Altgeräte jedes Jahr steigt und auch die erwarteten Sammelquoten angepasst werden. Galt ab dem Jahr 2015 noch eine Sammelquote von 45 %, so sind es für das Jahr 2019 schon 65 %. Diese relativen Sammelquoten orientieren sich am Durchschnittsgewicht der in den vorangegangenen 3 Jahren verkauften Elektro(nik)geräte.

Die Sammlung selbst findet in Deutschland über unterschiedliche Wege statt. Ausgediente Elektro- und Elektronikaltgeräte werden an Sammelstellen, wie z. B. Wertstoffhöfen oder in Sammelcontainern, zurückgenommen, aber auch der Handel nimmt die gebrauchte Ware entgegen. Die rechtlichen Vorgaben zur Sammlung der Altgeräte sind in der WEEE-Richtlinie („Waste of Electrical and Electronic Equipment“) festgehalten, die 2018 durch das europäische Parlament erneuert wurde.

Schnelle Produktion, aufwändiges Recycling

Hergestellt sind neue Smartphones, Tablets und Kühlschränke meist verhältnismäßig schnell. Viele Neuprodukte für den europäischen Markt werden in den asiatischen Ländern, vornehmlich in China, unter zum Teil kritikwürdigen Arbeitsbedingungen produziert. Die Gewinnung der dafür nötigen Rohstoffe, insbesondere der seltenen Erden, erfolgt überwiegend in Afrika, Asien und Südamerika. Auch hier leiden Mensch und Umwelt unter schwierigen Bedingungen.

Das Recycling von Elektro(nik)altgeräten ist daher aus vielerlei Gründen zwingend notwendig. Doch gibt es noch immer viele Hürden bei der Rückgewinnung von Rohstoffen aus gebrauchten Geräten, da diese meist fest mit anderen Teilen verbaut sind. Die bisher dafür eingesetzten Methoden sind überschaubar. Die Forschung schreitet jedoch voran und wartet nun mit einer Technologie für Elektro(nik)altgeräte auf.

Rohstofflieferant Elektroaltgeräte

Stofflich betrachtet erweist sich Elektroschrott im Vergleich mit anderen Abfallarten als regelrechte ‚Goldgrube‘. So schlummern in alten Geräten neben Gold, Silber und Kupfer auch seltene Metalle, wie z. B. Neodym, Europium und Lutetium. Sie finden Einsatz in der Automobilindustrie, in Energiesparlampen oder in der Medizintechnik.

Dass sich die Rückgewinnung lohnt, zeigt eine beispielhafte Bilanz des Branchenverbandes Bitkom aus dem Jahr 2011. Hier heißt es, dass die damals ausgedienten Mobiltelefone, die in deutschen Schubladen verschwanden, aufgrund ihres enthaltenen Goldes rund 72 Millionen Euro wert waren. Elektro(nik)altgeräte nicht zu sammeln und wiederaufzubereiten und stattdessen der Beseitigung zuzuführen, käme demnach einer Verschwendung in jeder Hinsicht gleich.

Innovative Methode des Dresdner Helmholtz-Zentrums

Um diese Verschwendung abzuwenden, macht das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) mit einer neuen Technologie auf sich aufmerksam, die die Aufbereitung von Metallen seltener Erden ermöglicht. Forscherin Dr. Franziska Lederer vom Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) findet den Schlüssel zur Methode in Viren, die auf Bakterien spezialisiert sind, sogenannten Bakteriophagen.

Aus etwa 4.000 Proteinen besteht die Hülle dieser Bakteriophagen. Mithilfe molekularbiologischer Prozesse wurden an diese weitere kurze Protein-Bruchstücke geheftet, die der Biologin damit eine Bakteriophagen-Bibliothek von etwa einer Milliarde Varianten eröffnet. Diese bilden wiederum sogenannte Bindungstaschen, in denen die Metalle seltener Erden durch das Zusammenbringen der beiden Elemente schließlich hängenbleiben.

Damit ist das Extrahieren dieser wertvollen Rohstoffe endlich möglich. Ein wichtiger Grundstein für die Entwicklung des Verfahrens wurde durch George Smith, Wissenschaftler an der University of Missouri, gelegt. Er und sein Team haben für die Erfindung der „Phagen-Display-Methode“ den Chemienobelpreis 2018 erhalten. Lederer arbeitete schon lange vor der Auszeichnung mit Smiths Team zusammen und erhielt so Zugang zu besonderen Bakteriophagen-Bibliotheken.

Mit dem Einsatz der durch Bakteriophagen identifizierten kurzen Eiweißstücke für die Rückgewinnung von Metallen, betritt die Dresdner Forscher-Gruppe um Lederer wissenschaftliches Neuland. Bisher spielten Bakteriophagen oftmals nur bei der Herstellung von Antikörpern eine Rolle. Weitere Möglichkeiten, z. B. Trennverfahren für Kunststoffe, werden von den Helmholtz-Forschern geprüft.

Quellen

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