Auf Deutschlands Verkehrswegen werden täglich radioaktive Stoffe transportiert – unter strengen Sicherheitsvorschriften (Foto: Satakorn (iStock))
Auf Deutschlands Verkehrswegen werden täglich radioaktive Stoffe transportiert – unter strengen Sicherheitsvorschriften
Foto: Satakorn (iStock)

Oberste Priorität: Sicherheit Radioaktive Stoffe befördern und transportieren

Etwa 420.000 Personen sind in Deutschland von Berufs wegen radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Hierzulande werden beispielsweise jeden Tag etwa 1.200 Versandstücke mit radioaktivem Inhalt auf Straße und Schienenweg, auf See oder in der Luft befördert. Auf das Jahr hochgerechnet betrifft das mehr als eine halbe Million Versandstücke mit radioaktiven Stoffen, die bewegt werden. Zahlen, die die Relevanz aufzeigen, sich einmal den gesetzlichen Vorschriften zum Transport dieser Gefahrstoffe zu nähern.

  • Radioaktive Stoffe sind Gefahrstoffe und Gefahrgut. Ihr Transport ist an gesetzliche Vorgaben und spezielle Kompetenzen gebunden. Der Beförderer hat zu seinem eigenen wie auch zum Schutz anderer vor, während und nach der Beförderung grundlegende Dinge zu beachten.
  • Zu transportierende radioaktive Stoffe entstehen beim Uranabbau, der Energiegewinnung in Atomkraftwerken und in Teilbereichen von Medizin und Forschung. Aber auch Naturmaterialien wie Erze oder Steine können in industriellen Prozessen bei entsprechender Komprimierung erhöhte Werte an Radioaktivität ausstrahlen.
  • Versandstückarten und Transportbehälter sind hierarchisch nach drei Typen klassifiziert, die sich nach der Strahlungsintensität der zu befördernden radioaktiven Stoffe richten.

Hintergrund: Komplexe, herausfordernde und umstrittene Nutzung von Atomenergie

Die Debatten über die zivile Nutzung von Atomenergie sind so alt wie die Nutzung selbst. Und wurden und werden oft nicht nur ausgesprochen kontrovers, sondern auch hochemotional geführt. Nicht von der Hand zu weisende Aspekte der zumal in Industrienationen naturgemäß hohen Ansprüche bezüglich der Energieversorgung treffen auf ebenso nicht von der Hand zu weisende Sicherheitsbedenken. Dass dabei selbst technologische und sicherheitstechnische Top-Standards und Kontrollmechanismen Reaktorunglücke nicht ausschließen, zeigte die Katastrophe von Fukushima im Frühjahr 2011. Eine Zäsur, die auch maßgebliche Folgen auf die zukünftige Ausrichtung der Energieversorgung in der Bundesrepublik Deutschland mit sich brachte. Wichtigster Punkt: der (beschleunigte) Ausstieg aus der Kernenergie bis Ende 2022.

Allein damit, dass Reaktoren vom Netz gehen, sind die Herausforderungen, die die Kernkraft, ihre Nutzung in Energiewirtschaft, Medizin oder Wissenschaft mit sich brachte und bringt nicht aus der Welt. Wie komplex das Themenfeld ist, zeigt sich allein schon bei einem seiner Teilaspekte: dem Transport radioaktiver Stoffe.

Radioaktive Stoffe: Entstehung und Vorkommen

Radioaktive Stoffe entstehen auf vielfache Art und Weise. Im Großen beim Uranabbau oder in Atomkraftwerken. In kleinerem, gleichwohl in seiner Gesamtheit nicht zu unterschätzendem Maßstab, in Forschungs- und medizinischen Einrichtungen oder in der Konsumgüterindustrie, etwa durch Bestrahlung von Lebensmitteln.

Zu beachten sind zudem die sogenannten NORM-Rückstände. NORM steht für Naturally Occurring Radioactive Material, das heißt, es handelt sich hier um natürliche radioaktive Rückstände, wie sie etwa in Steinen oder Erzen auftreten. Bei der industriellen Nutzung solcher Rohstoffe werden somit grundsätzlich natürliche Radionuklide in den technologischen Prozess eingeführt; was bei entsprechender Komprimierung gegebenenfalls dazu führen kann, dass Beschäftigte wie auch Bevölkerung einer erhöhten Strahlung natürlicher Radioaktivität ausgesetzt sind. So weist etwa das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) darauf hin, dass „bei der Verwendung von Gesteinen und Erden zu Bauzwecken“ die in „diesen Materialien enthaltene oder aus ihnen freigesetzte Radionuklide zu einer Strahlenexposition der Bevölkerung führen“ kann.

Gefahrstoff- und Gefahrgutrecht anwenden

Radioaktive Stoffe zählen zu den Gefahrstoffen. Sie enthalten ein Radionuklid oder mehrere Radionuklide. Ihre Aktivität darf auf Basis erlassener Rechtsvorschriften nicht außer Acht gelassen werden – auch nicht bei der Beförderung.

Den Umgang mit radioaktiven Stoffen regelt die Verordnung zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung (Strahlenschutzverordnung, StrlSchV) im Rahmen des deutschen Atom- und Strahlenschutzrechts. Im Kontext der Beförderung fallen radioaktive Stoffe unter das internationale Gefahrgutrecht und werden hier als eine der gefährlichsten Stoffe unter der Gefahrgutklasse 7 mit fünf Unterkategorien geführt.

Der Begriff „Beförderung“ umfasst im Gefahrgutrecht neben dem Vorgang der Ortsveränderung noch viele weitere Schritte: Übernahme, Ablieferung, zeitweilige Aufenthalte und Vorbereitungs- und Abschlusshandlungen, um nur einige aufzuführen. Hinzu kommt, dass zwischen innerbetrieblichem und außerbetrieblichem Gefahrguttransport insofern unterschieden werden kann, als dass man beim Transport innerhalb eines Betriebsgeländes von Beförderung spricht. Für radioaktive Stoffe außerhalb des Betriebsgeländes gilt der Terminus „Transport gefährlicher Güter“.

Speziell für den Transport auf der Straße und über die deutschen Landesgrenzen hinaus, greift dabei das internationale Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR). Es enthält Regelungen für Verpackung, Ladungssicherung und Kennzeichnung von Gefahrgut. Es wurde zuletzt zum 1. Januar 2021 aktualisiert. Christine Lendt und Paul Bramenkamp weisen zu den Neuregelungen 2021 für Weka Media folgende Änderungen für die Beförderung radioaktiver Stoffe als relevant aus: „Änderungen aus den Regelungen für den sicheren Transport radioaktiver Stoffe (SSR-6, Rev.1 – Ausgabe 2018) wurden harmonisiert und übernommen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf neuen Vorschriften für die Gruppe SCO-III / oberflächenkontaminierte Gegenstände.“

In Deutschland ist das ADR in folgende nationale Regelwerke umgesetzt:

Anforderungen an Beförderer radioaktiver Stoffe

Die Gefährlichkeit von radioaktiven Stoffen bringt bezüglich deren Transport eine nicht geringe Bandbreite an Anforderungen mit sich. Technologische, aber auch solche an die Qualifikationen des Beförderers. So erhält eine Genehmigung zur Beförderung radioaktiver Stoffe gemäß § 27 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) nur, wer die dafür notwendigen Vorgaben und Anforderungen nach § 29 StrlSchG erfüllt. Essentiell für die Beförderungserlaubnis sind entsprechendes Fachwissen und entsprechende Fertigkeiten, insbesondere zur Strahlengefährdung und damit einhergehenden Schutzmaßnahmen. Diese können durch Berufsausbildung bzw. -erfahrung und Fachkundemodule (seit 2019 auch zur Beförderung) erlangt werden.

Weitere Voraussetzungen zur Genehmigung der Beförderung sind u. a.:

  • Der Transport radioaktiver Stoffe hat unter Beachtung der für den jeweiligen Verkehrsträger geltenden Rechtsvorschriften über die Beförderung gefährlicher Güter und zudem zwingend auf dem kürzesten geeigneten Weg und ohne vermeidbare Unterbrechungen zu erfolgen.
  • Eine vorschriftsmäßige Buchführung über die Transporte (Name des Fahrzeugführers, Datum und Strecke des Transportes usw.) ist zu gewährleisten. Ebenso das Mitführen der vollständigen notwendigen Unterlagen durch den Fahrzeugführer (Umgangsgenehmigung für radioaktive Stoffe, Beförderungsgenehmigung, Bescheinigung der jährlichen Strahlenschutzunterweisung)
  • Fahrzeuge sind an den Längsseiten mit Placards zur Fahrzeugkennzeichnung zu versehen, orangefarbene, rückstrahlende Klapptafeln sind an Vorder- und Rückseite anzubringen. Nach Beendigung des Transports und Entladung der radioaktiven Versandstücke sind alle Warntafeln zu entfernen.

Vor jeder Beförderung radioaktiver Stoffe ist sicherzustellen, dass für das betreffende Versandstück die jeweilig damit verbundenen Vorschriften erfüllt sind. Keinesfalls dürfen beschädigte oder undichte Versandstücke befördert werden. Es liegt in der Obhut des Transporteurs/Beförderers zu kontrollieren, ob Beschädigungen am Versandstück vorliegen. Ist das der Fall sind umgehend folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  • Zugang zum Versandstück beschränken
  • schnellstmögliche Expertise der Situation durch fachkompetente Personen (z. B. Strahlenschutzbeauftragte) in die Wege leiten
  • etwaige zusätzlich nötige Maßnahmen in Absprache und Übereinstimmung mit den zuständigen Behörden durchführen

Außerdem hat der Fahrzeugführer vor der Beförderung die mitzuführenden Papiere zu prüfen. Es müssen zusätzliche Begleitpapiere sowohl nach gefahrgutrechtlichen als auch nach atom- und straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften vollständig vorliegen.

Beim Verladen muss darauf geachtet werden, zwischen Boden und Ladefläche solche Höhen zu vermeiden, bei denen bei einem etwaigen Herabfallen des Versandstückes Beschädigungen an diesem auftreten können. Versandstücke dürfen nicht geworfen oder gestoßen werden. Zur Minimierung der Strahlendosis sollten nach Möglichkeit körpernahe Kontakte mit dem Versandstück vermieden werden. Soweit möglich sind Abschirmungen zu benutzen. Auch muss die Arbeitszeit am und mit dem Versandstück auf ein notwendiges Minimum beschränkt bleiben.

Nach jeder Beförderung radioaktiver Stoffe müssen zumal an regelmäßig für derlei Arbeiten verwendeten Fahrzeugen Kontaminationskontrollen durchgeführt werden. In der Regel sind diese aber nicht alleinige Aufgabe der Fahrzeugbesatzung, sondern liegen in der Verantwortung des zuständigen Strahlenschutzbeauftragten (siehe §§ 43 Strahlenschutzverordnung, StrlSchV).

Im Falle eines Unfalls während des Transportes ist zu beachten, dass

  • lebensrettende Maßnahmen unter Beachtung hinreichenden Selbstschutzes stattfinden,
  • die Einsatzkräfte der Polizei/Feuerwehr umgehend zu verständigen
  • und Personen vom Gefahrenbereich fernzuhalten sind.

Maßnahmen, die so oder so ähnlich natürlich erst einmal für jeden Unfall oder Notfall Gültigkeit haben. Bezüglich eines Unfalls mit radioaktiven Stoffen kommen noch drei spezielle wichtige Punkte hinzu:

  • beim Agieren Windrichtung beachten (auf Wind zugewandter Seite bleiben)
  • keine direkten Ladungsbrände selbst löschen
  • Inkorporation vermeiden (d. h. nicht essen, trinken, rauchen)

Versandstückarten / Transportbehälter

Behälter für radioaktive Stoffe werden in Transport-, Zwischen- und Endlagerbehälter unterschieden. Da die zu transportierenden und zum Teil zeitlich begrenzt zu lagernden Inhalte dieser Behälter sowohl unbestrahlte und abgebrannte Brennelemente, wie auch schwach, mittel und hochaktive radioaktive Stoffe beinhalten können, werden sie, je nach dem Grad der Strahlungsintensität, nach Typ A, B und C kategorisiert und unterliegen den jeweiligen Vorschriften, die sich aus dieser Kategorisierung ergeben. Diese reichen von allgemeinverbindlichen Basis-Vorgaben für Versandstücke mit begrenztem Inhalt (Typ A), bis hin zum Typ B und C, die für Stoffe mit entsprechend höherer bis hoher Radioaktivität verpflichtend sind.

Im Rahmen des Gefahrgutrechts ist das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) zuständig für die Erteilung von Bauart-Vorgaben und Zulassungen für Transportbehälter. Wobei die dafür wesentlichen Teilkomponenten eigenständig von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) begutachtet werden. Diese Teilkomponenten umfassen:

  • mechanische und thermische Eigenschaften des Versandstückes
  • Abdichtungsgrad (das ist der Grad des möglichen Freisetzungsverhaltens des radioaktiven Inhalts aus der Umschließung des Versandstückes)
  • Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei der Herstellung des Versandstückes

Versandstücke und Umverpackungen sind nach den Vorschriften des Abs. 5.2.1.7 ADR mindestens zu kennzeichnen mit: UN-Nummer, Gefahrgutzettel, Absender und Empfänger, Gewicht (wenn > 50 kg).

Diese Gefahrgutbeförderungsvorschriften basieren ihrerseits auf der Prämisse des „sicheren Versandstücks“. Das heißt, für den Transport ist voraussetzend, dass die Sicherheit durch das Versandstück selbst gewährleistet wird. Die Parameter für diese Sicherheit gehen wiederum auf Empfehlungen der Internationalen Atomenergie-Organisation (International Atomic Energy Agency – IAEA) zurück, die weltweit in den gesetzlichen Vorschriften für den Transport radioaktiver Stoffe umgesetzt wurden.

Was einschlägige Transporte radioaktiver Stoffe und Materialien angeht, sind im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit sicherlich die CASTOR- oder auch POLLUX-Behälterbauten am präsentesten, die für den Transport, aber auch die Zwischenlagerung (Gorleben) bestrahlter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle aus der Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen verwendet werden. Darüber hinaus hält der Markt aber für den Transport/die Beförderung radioaktiver Stoffe eine nicht geringe Bandbreite an verschiedenen Behältnissen bereit. Die Angebote variieren bezüglich Mengen, Größe und Beschaffenheitsart der zu bewegenden Stoffe ebenso, wie in ihren preislichen Kategorien. Gleichwohl unterliegen sie natürlich alle den oben aufgeführten Vorgaben. Oberstes Prinzip in jedem Fall: Sicherheit.

Quellen

Alle Angaben ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit