E-Auto-Serienproduktion, Pilotlinien, neue ADR-Nummern: Natrium-Ionen-Batterien gewinnen an Wichtigkeit
Leistungsstarke und zugleich nachhaltige Stromspeicher sind ein wesentlicher, wenn nicht der entscheidende Faktor für eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft und Energiewende. Lithium-Ionen-Batterien fällt dabei bekanntermaßen eine Hauptrolle zu. Der Markt wächst dynamisch und wird das auch weiterhin tun. Das ist nur folgerichtig, zumal selbst bei kritischster Einbeziehung der mit Lithium-Batterien verknüpften Nachteile deren Vorteile gleichwohl auf der Hand liegen.
Was aber mitnichten heißt, dass Alternativen nicht verstärkter in den Fokus gerückt werden müssen. Speziell Natrium-Ionen-Batterien wird hierbei nicht nur seitens der Forschung, sondern auch von Industrie und Wirtschaft ein zunehmend hoher Stellenwert prognostiziert – und in der praktischen Umsetzung auch schon eingeräumt.
Vor allem seitens des Autobauer. Wurden Natrium-Ionen-Akkus bisher vorrangig zur Energiespeicherung oder in Zweirädern eingesetzt, zeigen sich in jüngerer Zeit verstärkt Tendenzen zur Nutzung für E-Autos. So produziert seit Ende 2023 der chinesische Hersteller JAC die ersten Elektro-Kleinwagen mit Natrium-Ionen-Akkus in Serie. Die vom Hersteller versprochene Batterie-Reichweite liegt bei 252 Kilometern, bei einer Kapazität von 25 Kilowattstunden (Wh/kg) und einer Energiedichte von 120 Wh/kg. Die Batterien können innerhalb von 20 Minuten von zehn auf 80 Prozent geladen werden.
Anderes Beispiel: Der deutsche Batterieentwickler Nacelle hat jüngst eine Pilotlinie zur Herstellung von Natrium-Ionen-Batterien (Pouch-Zellen-Format) in Betrieb genommen, mit der das Unternehmen nach eigener Aussage das erste in Deutschland ist, das die Technologie außerhalb des Forschungsbereichs, in eigenen Anlagen, also im industriellen Kontext, herstellt. Gezielt sollen damit die Vorteile von Natrium-Ionen-Batterien, wie auch die generelle Produktionsreife der Technologie für die industrielle Anwendung demonstriert werden. Im Laufe dieses Jahres soll die Produktion auch auf größere Zellen umgestellt und die Kapazität kontinuierlich erhöht werden. Der Einsatz bei Testkunden ist ebenfalls schon für dieses Jahr vorgesehen, eine breitere Marktfrequentierung soll ab 2026 folgen.
Als weiteres Symptom für den wachsenden Stellenwert von Natrium-Ionen-Batterien ist zu bewerten, dass diese seit diesem Jahr im ADR mit neuen eigenen UN-Nummern versehen sind: UN 3551 regelt die Handhabe für Natrium-Ionen-Batterien mit organischen Elektrolyten; UN 3552 deckt Natrium-Ionen-Batterien in Ausrüstungen bzw. Batterien mit Ausrüstungen in Verpackungen ab.
Vor- und Nachteile von Natrium-Ionen-Akkus
Sucht man nach den Gründen für das steigende Interesse an Natrium-Ionen-Akkus muss man einen genaueren Blick auf deren Charakteristika werfen. Dabei zeigen sich im Wesentlichen folgende Punkte auf der Habenseite der Energiespeicher:
Hohe Rohstoffverfügbarkeit: Natrium ist das sechsthäufigste Element der Erdkruste und kann fast überall auf der Welt gewonnen werden, sei es im Bergbau oder aus Meerwasser. Im Gegensatz zu Lithium tritt es um 2-3 Größenordnungen häufiger auf, zudem ist der Gewinnungsprozess kostengünstiger und die Weiterverarbeitung insgesamt umweltfreundlicher.
Hohe Temperaturbeständigkeit: Anders als Lithium-Ionen-Akkus reagieren Natrium-Ionen-Akkus weniger anfällig auf Temperatureinwirkungen bzw. Temperaturschwankungen und können somit selbst bei Kältegraden bis zu -30° Celsius problemlos arbeiten. Das heißt, dass die Funktions-, also Fahrtüchtigkeit von entsprechend ausgestatteten E-Autos auch an kalten Wintertagen bzw. in geographischen Kältezonen gewährleistet bleibt. Ein Vorteil, der sich perspektivisch auch auf Natrium-Ionen-Stromspeicher ausweiten lässt, die im Freien oder auch im Carport installiert sind.
Geringere Anfälligkeit für Über- und Tiefentladung: Mit der Temperaturbeständigkeit der Natrium-Ionen-Akkus korrespondiert deren geringe Anfälligkeit für Über- und Tiefenentladungen. Das trägt zu einer längeren Lebensdauer der Stromspeicher bei.
Anwendungsspektrum: Potenziell können Natrium-Ionen-Akkus in verschiedensten Anwendungsgebieten zum Einsatz kommen, sind ob ihres derzeitigen technologischen Entwicklungsstandards aber eher für die stationäre Energiespeicherung und Verwahrung von Überschussenergie geeignet. Zudem bietet sich ihr Einsatz dezidiert immer dann an, wenn Fragen erhöhter Sicherheit mit denen erhöhter Leistungsfähigkeit in Einklang gebracht werden müssen (bei medizinischen Geräten, in der Luft- und Raumfahrttechnik usw.)
Schaut man sich diese nicht unbeträchtliche Pluspunkteliste an, mag sich schnell die Frage stellen, warum Natrium-Ionen-Batterien noch nicht in weit größerem Umfang als bisher zum Einsatz kommen. Ein Blick auf die Nachteile der Batterien gibt Antwort:
Geringere Energiedichte: Der entscheidende Hauptnachteil von Natrium-Ionen-Akkus ist ihre vergleichsweise geringe Energiedichte. In Folge benötigen sie ein entsprechend größeres Gehäuse und sind somit nur dort integrier- und nutzbar, wo entsprechende Platzkapazitäten vorhanden sind. Zudem sind sie wegen ihrer Größen- und Konstruktionsstruktur in der Regel schwerer als Lithium-Batterien mit der gleichen Ladekapazität.
Risikopotenzial: Auch wenn das Risikopotenzial insgesamt geringer ist, sind bei Natrium-Ionen-Akkus trotzdem Kurzschlüsse möglich. Auch können Überhitzung und Brandgefahr drohen.
Resümierend lässt sich sagen, dass zum momentanen Zeitpunkt Natrium-Ionen-Batterien immer dort zielführend zum Einsatz kommen können, wo Fragen von Kosten, Nachhaltigkeit, Temperaturtoleranz und Sicherheit solchen der Energiedichte und Leistungseffizienz übergeordnet sind bzw. übergeordnet sein müssen.
Doch das ist, um es zu wiederholen, lediglich der momentane Stand. Denn das Voranschreiten der technologischen Entwicklungen ermöglicht inzwischen die Produktion von Natrium-Batterien mit einer bis auf circa 160 Wh/kg erhöhten Energiedichte. Diese ist vergleichbar mit den unteren Skalenwerten von Lithium-Ionen-Batterien (ungefährer Wert bei LFP-Akkus ca. 180 Wh/kg). Heißt: Es dürfte nur eine Frage (kurzer) Zeit sein, bis in Niedrigkostenmärkten wie E-Bikes oder Kurzstrecken- und Leichtelektrofahrzeugen die Lithium- von Natrium-Batterien ersetzt werden.
Das ist in nicht geringem Maße eine Frage des wirtschaftlichen Pragmatismus. Ganz klar punkten auch weiterhin Lithium-Ionen-Akkus mit ihrer komprimierten Energiedichte (bis zu 260 Wh/kg) und einem flexibleren, breiten Anwendungsspektrum. Zugleich aber ist zu berücksichtigen, dass der derzeitige Preis für Natriumcarbonat unter 300 US-Dollar/pro Tonne liegt, während der Marktwert von Lithiumcarbonat in Batteriequalität rund 13.000 USD/Tonne beträgt. Der geschätzte Kostenvorteil von Natrium-Ionen- gegenüber Lithium-Ionen-Produkten wird somit (derzeit) bei 30 bis 40 Prozent veranschlagt.
Hinzu kommt: Während bei Lithium-Exemplaren (je nach verwendeter Batteriechemie) mit 2000-3000 Ladezyklen das Maximum erreicht ist, können Natrium-Ionen-Akkus mit einer Lebensdauer von (je nach Typ) bis zu 10.000 Ladezyklen aufwarten. Und haben damit noch nicht einmal ihre potenziell möglichen Kapazitätsobergrenzen erreicht.
Zukunftsoptionen mit Positiveffekten
So arbeitet das US-Unternehmen Natron Energy an der Entwicklung von Natrium-Ionen-Batterien, deren Zellen eine Lebensdauer garantieren, die die von Lithium-Ionen-Produkten um das zehnfache übertreffen bzw. über 50.000 Ladezyklen hinweg ihre Leistungskraft bewahren können sollen.
Aber auch deutsche Unternehmen investieren in technologische Innovationsprojekte. Das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (ITKS) registriert hier eine kontinuierliche Positivtendenz, dank der nicht nur bedeutende Fortschritte in der Grundlagenforschung zu verzeichnen sind, sondern viele Technologien auch kurz vor der Marktreife stünden.
Ein Beispiel dafür liefert das sogenannte „Vier-Volt-Natrium-Ionen-Batterie“-Projekt (4NiB). Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) arbeitet hierbei gemeinsam mit „drei renommierten Partnern“ daran, die Funktionalität, Leistungsstärke und Kosteneffizienz von Natrium-Ionen-Batteriezellen durch die Verwendung von Bioabfällen sowie alternativen Kohlenstoffverbindungen zu gewährleisten und noch zu optimieren. Zum Einsatz kommen sollen die Batterien in Elektrofahrzeugen für den Stadtverkehr und in stationären Speichern.
Ein weiteres vielversprechendes Einsatzgebiet für Natrium-Ionen-Batterien offerieren Photovoltaik-Anlagen. Derzeit gliedert sich hier das Angebotssegment vorrangig in Lithium-Eisenphosphat- oder Blei-Akkumulatoren; doch existiert schon länger die Nachfrage nach günstigeren und temperaturresistenteren Alternativen. Eine dieser Alternativen könnten Natrium-Ionen-Batterien sein. Zwar kommen die derzeit ob ihres Mehr an benötigter Platzkapazität nur für stationäre PV-Anlagen in Frage, doch amortisiert sich für private Solaranlagenbetreiber das „Platzproblem“ durch entschieden geringere Kosten bei längerer Lebensdauer; sprich: finanzielle Rentabilität.
Zu welcher ein umfänglich kreislaufwirtschaftlicher Positiveffekt hinzu kommt. Der trägt bis hin zum Recycling. Dass für die Herstellung von Natrium-Ionen-Batterien keine Schwermetalle benötigt werden, erleichtert dieses ebenso wie das entscheidend geringere Gefahrenpotenzial, das Natrium-Ionen- den hochentzündlichen Lithium-Ionen-Batterien voraus haben.
Quellen
- Senec: Natriumbatterie: Eine Alternative für die Zukunft?
- Battery News: Nacelle eröffnet Pilotlinie für Natrium-Ionen-Batterien
- Spiegel: In China rollen erste Elektroautos mit Natriumakkus vom Band
- ADR 2025: 11 neue UN-Nummern
- ZDF heute: Kommt die Natrium-Ionen-Revolution?
- Fraunhofer ISE: Natrium-Ionen-Technologien
- EnBW: Natrium-Ionen-Akku: Was macht die Technologie so interessant?
- Akkuline: Natrium-Ionen Akku als Konkurrenz der Lithium-Ionen Akkus?
- Vattenfall: Natrium-Ionen-Akkus: Ihre Rolle für E-Autos und PV-Speicher